Nachdem die Türkei zwei deutschen Korrespondenten die Arbeitsgenehmigung nicht verlängert hat, hat Deutschland die Reisehinweise für seine Bürger verschärft. Es weist sie explizit darauf hin, dass nicht nur Journalisten gefährdet seien. Wer an Versammlungen von Organisationen teilgenommen habe, die von der Türkei als «terroristisch» eingestuft würden, könne bei der Einreise in die Türkei festgenommen werden. Man müsse auch davon ausgehen, dass den türkischen Strafverfolgungsbehörden nicht-öffentliche Kommentare in sozialen Medien bekannt sein können.
Der Journalist Thomas Seibert, der auch für SRF häufig aus der Türkei berichtet hat, ist direkt betroffen. Er kann seine Aufgabe nun nicht mehr wahrnehmen und ist nach Deutschland zurückgekehrt. Erwartet hat er diese Entwicklung nicht.
SRF News: Will die Türkei mit solchen Manövern ausländische Journalisten unter Druck setzen?
Thomas Seibert: Ja, das ist ein Teil des Motivs. Es geht aber auch um einen grundsätzlichen Perspektivenwechsel der Türkei mit Blick auf den Westen. Türkische Politiker sind davon überzeugt, dass der Westen die Türkei an ihrem Aufstieg zur Grossmacht hindern will und dass sich die türkische Regierung dagegen wehrt. Das ist ein wenig absurd, aber die Einstellung dahinter muss man ernst nehmen.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei hat sich im letzten Jahr etwas verbessert. Beispielsweise wurde der inhaftierte deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel freigelassen. Haben Sie die neuerliche Verhärtung kommen sehen ?
Die Entscheidung gegen meinen Antrag auf eine Verlängerung meiner Pressekarte habe ich nicht kommen sehen. Sie kam für mich aus blauem Himmel. Aber dass die türkische Regierung die Beziehungen zu Deutschland wieder konfrontativer gestaltet, war bereits spürbar. Es ist überraschend, dass es die Türken nun so auf die Spitze treiben.
Mehr als 130 türkische Kollegen sitzen im Gefängnis. So gesehen ist das, was uns passiert ist, der reine Luxus.
In all den Jahren, die ich in der Türkei zugebracht habe, hat uns die türkische Regierung immer frei arbeiten lassen. Mehr als 130 türkische Kollegen sitzen im Gefängnis. So gesehen ist das, was uns passiert ist, der reine Luxus. Dass auch ausländische Journalisten in der Türkei stärker an die Kandare genommen werden, ist klar eine Eskalation.
Gibt es bald überhaupt keinen kritischen Journalismus mehr aus der Türkei?
Das kommt darauf an, ob die türkische Regierung weiteren Kollegen die Akkreditierung verweigert. Derzeit sind noch sehr viele Kollegen dort. Im Moment kann man nicht sagen, dass es keine objektive Berichterstattung mehr gibt. Allerdings ist der Versuch, Druck auszuüben, ganz offensichtlich. Die Türkei tut sich damit keinen Gefallen. Das äussere Erscheinungsbild des Landes wird sich verschlechtern, und das kann Auswirkungen auf den Tourismus haben. Es kann sich auch auf die Investitionsbereitschaft von Unternehmen auswirken.
Das Gespräch führte Andrea Christen.