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Bayrou verliert Abstimmung Frankreichs Regierung ist gestürzt – die wichtigsten Fragen

Die Sparpläne von François Bayrou stossen auf Widerstand. Der Premier verliert die Vertrauensabstimmung.

Das passiert in Frankreich: In Frankreich wurde heute die Regierung gestürzt – zum zweiten Mal in einem Jahr. Premierminister François Bayrou hatte im Parlament die Vertrauensfrage gestellt. Wie schon sein Vorgänger hatte er mit breitem Widerstand gegen seine Sparpläne zu kämpfen.

So verschuldet ist das Land: Frankreich, die zweitgrösste Volkswirtschaft im Euroraum, ist hoch verschuldet. Mittlerweile hat das Land über 3000 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Das entspricht etwa 114 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Für Bayrou ist die Finanzlage so ernst, dass er nächstes Jahr 44 Milliarden Euro einsparen will.

Premierminister François Bayrou vor Journalisten.
Legende: Das Land sei kurz vor der Überschuldung, erklärte Premier Bayrou an einer Medienkonferenz. Keystone/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Diese Rolle spielt die Politik: Mathieu Plane, stellvertretender Direktor am französischen Institut für Konjunktur und Wirtschaft OFCE, relativiert Bayrous Prognosen etwas. Die wirtschaftliche Lage sei zwar ernst, aber nicht schlimmer als früher. Das eigentliche Problem sei die politische Blockade. Derzeit gebe es keine politische Mehrheit und überhaupt keinen Konsens über die zu ergreifenden Massnahmen.

Wo es bislang oft ohne Kompromisse funktionierte, braucht es jetzt Kompromissbereitschaft.
Autor: Zoe Geissler SRF-Frankreich-Korrespondentin

Deshalb tut sich Frankreich schwer mit Kompromissen: Frankreichs politisches System war über sechs Jahrzehnte von einem Majorzwahlrecht geprägt. Durch dieses Wahlsystem hatten die Präsidenten mit ihren jeweiligen Regierungen in der Nationalversammlung in der Regel eine Mehrheit. Seit den vorgezogenen Neuwahlen im letzten Jahr ist das anders. Das Parlament ist in drei mehr oder weniger gleich starke Blöcke geteilt. «Wo es bislang also oft ohne Kompromisse funktionierte, braucht es jetzt Kompromissbereitschaft», erklärt SRF-Frankreich-Korrespondentin Zoe Geissler. Allerdings sei bislang kein Block und keine Partei wirklich dazu bereit, von den jeweiligen Positionen abzuweichen. Denn das sähen die Parteien als Verrat an ihren Wählerinnen und Wählern an. «Für Kompromisse bräuchte es also einen Kulturwandel in Frankreich.»

Die Haltung der Parteien

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Die meisten Parteien seien sich zwar einig, dass etwas getan werden müsse. Beim Was vertrete aber jede Partei ihre eigene Linie, so Konjunkturforscher Mathieu Plane. «Die einen wollen die öffentlichen Ausgaben für Beamte kürzen, andere eher beim Sozialmodell sparen. Einige wollen die Einwanderer zur Kasse bitten, andere wollen, dass die Reichen zahlen.»

Das funktioniere so aber nicht. Mathieu Plane: «Wenn man vor einer Herausforderung dieser Grössenordnung steht, muss man eigentlich ein bisschen von allem tun.»

Darum droht ein Teufelskreis: Die turbulente Zeit aufgrund der Auseinandersetzung um Budgetkompromisse habe Auswirkungen auf die Wirtschaft, erklärt Konjunkturforscher Mathieu Plane. «Wir sind in einer Zeit der grossen Unsicherheit. Das ist nie gut für die Wirtschaft, weil die Unternehmen weniger investieren und weniger Personal einstellen. Die Haushalte neigen dazu, mehr zu sparen und weniger auszugeben. Wir laufen also gar Gefahr, dass es zu einer Rezession kommt.» Man müsse schnell zu einer Lösung kommen. Angesichts der politischen Hängepartie seien schnelle Lösungen aber derzeit nicht in Sicht.

So reagiert Macron: Nach dem Sturz der Mitte-Rechts-Regierung in Paris will Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron zügig einen neuen Premier ernennen. Er werde am Dienstag den gescheiterten Premier François Bayrou empfangen, um den Rücktritt von dessen Regierung anzunehmen, teilte der Élysée-Palast am Montagabend mit. «Der Präsident wird in den nächsten Tagen einen neuen Premier ernennen», hiess es in der Mitteilung weiter. Den Ausgang der Vertrauensfrage habe Macron zur Kenntnis genommen.

So geht es weiter: Präsident Emmanuel Macron muss nun eine neue Regierung finden. Laut SRF-Frankreich-Korrespondentin Zoe Geissler steht er nun aber wieder vor dem gleichen Problem. «Niemand hat eine Mehrheit im Parlament. Und derzeit sieht es so aus, als würde sich keine Regierung – egal ob links, rechts oder zentral – wirklich lange halten können.» Macron könnte auch das Parlament noch einmal auflösen. «Doch genau durch die Parlamentsauflösung im letzten Jahr ist Frankreich in diese verfahrene Situation geraten», gibt Geissler zu bedenken. Und ob es nach erneuten Neuwahlen eine politische Mehrheit gäbe, sei derzeit ebenfalls unklar.

Heute Morgen, 08.09.2025, 6 Uhr ; 

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