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Beben in Moskau Kreml geht jetzt gegen regimetreue Kritiker vor

Der russische Ultranationalist und Kriegsbefürworter Igor Girkin ist in Moskau verhaftet worden. Ihm wurde die Kritik an Putin zum Verhängnis. Über die möglichen Hintergründe von Girkins Verhaftung weiss SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie mehr.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Wieso wurde Girkin verhaftet?

Girkin kritisiert den Kreml schon sehr lange und sehr deutlich, jetzt holt ihn das ein. Lange konnte er sagen, was er wollte, weil er Teil des putinschen Systems der kontrollierten Rivalitäten war. Girkin kritisiert die Armee, das hält die Armee auf Trab. Putin spielt den Schiedsrichter und profitiert vom Konkurrenzkampf.

Aber mit dem Aufstand von Jewgeni Prigoschin und der Wagner-Truppe ist Putins «teile und herrsche»-Strategie ausser Kontrolle geraten: Auch Prigoschin hatte die Armeespitze bekanntlich heftig kritisiert. Offensichtlich will der Kreml nicht, dass es so weitergeht. Jetzt räumt er auf mit den prominentesten Kritikern.

Girkin wird Extremismus vorgeworfen. Was heisst das?

Ironischerweise wirft das der Staat meist liberalen Oppositionellen vor – und bringt sie für viel harmlosere Aussagen als jene von Girkin für Jahre hinter Gitter. Mit dem Ultranationalisten Girkin wird jetzt für einmal ein echter Extremist so angeklagt. Man wird sehen, wie die Anklage genau lautet und welche Strafe die Staatsanwaltschaft verlangt. Womöglich ist die Verhaftung bloss eine Warnung und man auferlegt ihm lediglich ein Internetverbot, um ihn zum Schweigen zu bringen. Oder es könnte der Beginn eines viel schwerwiegenderen Prozesses sein.

Schillernde Figur Girkin

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Der russische Ultranationalist Igor Girkin ist eine schillernde Figur. Der Ex-Geheimdienstoffizier soll bei der Krim-Annexion 2014 mitgemischt haben. Ausserdem liegt gegen ihn ein internationaler Haftbefehl vor wegen Beteiligung am Abschuss des Passagierflugs MH17 über dem Donbass 2014. Girkin alias Strelkow gilt als klarer Befürworter des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Aber in letzter Zeit kritisierte er immer schärfer die Kriegsführung Russlands, zuletzt warf er Präsident Wladimir Putin Untätigkeit vor.

Nun wurde er in Moskau wegen Extremismus vorwürfen verhaftet. Ein Gericht setzte gegen den 52-Jährigen Untersuchungshaft bis zum 18. September an.

Was hat Girkin mit Wagner zu tun?

Direkt nichts – ausser, dass sowohl Girkin als auch Prigoschin das russische Verteidigungsministerium kritisieren. Doch eigentlich sind sie Rivalen. Girkin hat Wagner lange kritisiert – und Prigoschin hat sich über Girkin lustig gemacht. Was zählt, ist, dass für den Kreml das Problem Girkin und das Problem Prigoschin zusammenhängen – sie sind zwar Feuer und Flamme für die «Spezialoperation», meinen aber, dass sie es besser könnten als Putin. Diese Leute sollen nicht wieder zum Problem werden. Es hat Girkin sicher auch nicht geholfen, dass er gesagt hatte, Putin sei ein Niemand, der sich weigere, Verantwortung zu übernehmen, weil er Prigoschin nicht verhaften liess.

Was sagt die Festnahme über den Zustand der russischen Führung aus?

Offenbar überlässt der Kreml der Armeeführung kurzfristig mehr Macht und gibt ihr Gelegenheit, ihre Kritiker auszuschalten. Von Leuten wie Girkin haben sich Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow einiges anhören müssen. Damit ist jetzt Schluss. Es gibt auch unbestätigte Berichte, wonach in der Armee mit weiteren Rivalen aufgeräumt wird. Klar ist, dass ein General jüngst entlassen wurde, weil er die Zustände an der Front kritisiert hatte.

Einerseits festigen also Schoigu und Gerassimow ihre Macht: Es wird jetzt immer schwieriger, sie zu kritisieren, obwohl sie an der Front sehr viele Fehler machen. Es kann gut sein, dass die russische Kriegsführung dadurch noch mehr leidet. Und zweitens lässt der Kreml jetzt durchblicken, dass er sich vom Wagner-Aufstand verwundet fühlt. Die internen Konkurrenzkämpfe sind zu gefährlich geworden und jetzt ist Kritik auch von Patrioten nicht mehr zulässig. Stattdessen setzt man auf ganz klar loyale Figuren – auch wenn sie unfähig sind. Das ist auch eine Schwachstelle im System Putin – und die Anhänger von Leuten wie Girkin werden das registriert haben.

Echo der Zeit, 21.7.2023, 18:00 Uhr ; 

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