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Bedrohte Medienfreiheit Neues Ausmass: russische Drohung gegen Schweizer Journalisten

Ein Journalist wird namentlich von der russischen Botschaft in Bern genannt und für seine Berichterstattung kritisiert. Das an sich ist für Journalisten, die über den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine berichten, nichts Neues. Neu ist hingegen das Ausmass.

Für SRF berichten mehrere Journalistinnen und Journalisten über das Kriegsgeschehen in der Ukraine: Einer davon ist etwa David Nauer. Er deckt vor allem die ukrainische Perspektive ab.

Dass die russische Botschaft jüngst einen NZZ-Journalisten für seine Berichterstattung derart deutlich kritisiert, erstaunt Nauer nicht. Überrascht ist er aber über die neue Komponente der Drohung. «Es ist neu, dass es nicht nur Kritik, sondern auch Drohungen gibt.»

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) seinerseits reagierte und bestellte den russischen Botschafter in Bern, Sergei Garmonin, ein. Dem Botschafter sei mitgeteilt worden, dass die Äusserungen inakzeptabel seien und diese Art der Einschüchterung von Medienschaffenden nicht toleriert werde, so das EDA.

Dass Russland genau verfolgt, was in westlichen Medien über Russland geschrieben wird, hat auch David Nauer schon erlebt. Ein paar Wochen vor Beginn des Angriffskrieges äusserte er sich in einem Social-Media-Video von SRF und sagte, dass russische Truppen aufrüsteten und dass das darauf hindeute, dass sie wohl bald einmarschieren wollen.

Ich halte solche Angriffe, in diesem Ton und dieser Unsachlichkeit, quasi für eine Auszeichnung.
Autor: David Nauer Sonderkorrespondent Ukraine

Das russische Aussenministerium entdeckte das Video und sparte daraufhin nicht mit Beleidigungen. Selbst im russischen Staatsfernsehen wurde dieses Video gezeigt und Nauer als Kriegstreiber betitelt. Was ein paar Wochen danach passiert ist, wissen wir: Russland ist in die Ukraine einmarschiert. «Ich hatte ja recht, mit dem, was ich gesagt hatte», sagt Nauer.

So reagiert SRF auf die aktuellen Entwicklungen:

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Thomas von Grünigen, Leiter TV-Auslandkorrespondenten SRF: «Wir sind lange davon ausgegangen, dass die Situation für Schweizer Medienschaffende in Russland zwar schwierig, aber einigermassen sicher ist. Offenbar hat Russland seine Strategie gegenüber ausländischen Medienschaffenden nun aber verschärft. Wir haben deshalb entschieden, dass wir eine Russland-Reise, die unser Sonderkorrespondent Christof Franzen für nächste Woche geplant hatte, sicherheitshalber verschieben. Aber das ist eine Momentaufnahme. Wir beobachten die Situation weiter und werden unser Vorgehen laufend anpassen.»

Diese Reaktion Russlands hat Nauer nicht daran gehindert, weiter über den Konflikt zu schreiben. Im Gegenteil: «Ich halte solche Angriffe, in diesem Ton und dieser Unsachlichkeit, quasi für eine Auszeichnung. Dann hast du als Journalist etwas richtig gemacht», so Nauer. «Allerdings bin ich seit Kriegsausbruch auch nicht mehr in Russland gewesen.» Sonst würde er sich wohl mehr Sorgen machen.

Reporter ohne Grenzen: «Schraube wird immer mehr angezogen»

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Drohungen aus Russland gegenüber Journalisten nehmen zu. Für Bettina Büsser von Reporter ohne Grenzen eine bedenkliche Entwicklung.

SRF News: Frau Büsser, wie ernst muss man solche Drohungen nehmen?

Bettina Büsser: Man muss sie sicher ernst nehmen, weil kürzlich ja auch der Journalist des Wall Street Journals, Evan Gershkovich, in Russland verhaftet und der Spionage beschuldigt wurde. Das bedeutet, dass die russischen Machthaber vor nichts zurückschrecken. Sie wollen jegliche Kritik, auch die von ausländischen Medienschaffenden, einfach zum Schweigen bringen.
                

Wann wird es für Medienschaffende zu gefährlich, um noch in Russland zu arbeiten?

Es ist schon seit einiger Zeit sehr, sehr schwierig und es wird immer schwieriger. Medien und die Medienschaffenden müssen sehr genau abwägen, welches Risiko sie eingehen wollen. Am besten können das sicher die langjährigen Korrespondenten und Korrespondenten beurteilen.

Die Repression gegen Medienschaffende aus dem Ausland nimmt stark zu. Wo geht diese Entwicklung denn noch hin?

Ausländische Journalistinnen und Journalisten erleben das, was die russischen Journalistinnen und Journalisten schon sehr lange erleben: eine Zunahme von Repression, von Einschränkungen. Das ist nicht erst seit dem Einmarsch in die Ukraine so.

Es gab schon vorher medienfeindliche Gesetze. Es ist wie eine Schraube, die immer mehr angezogen wird, und auch dazu geführt hat, dass viele russische Journalistinnen und Journalisten ins Ausland gegangen sind und zum Teil dort kritische Medien aufgebaut haben, die sie in Russland eben nicht mehr herausgeben konnten.

SRF 4 News, 20.04.2023, 08:00 Uhr

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