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Bedrohungen für Europa EU will sich selbst militärisch helfen können

Die EU hat beschlossen, eine eigene Eingreiftruppe zu schaffen. Was will sie damit?

Wozu braucht die EU eine militärische Eingreiftruppe?  «Es ist eine Truppe, die dem Krisenmanagement dienen soll», sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF. Ziel ist – gemäss EU-Beschluss – militärisches Handeln im EU-Kontext flexibler und unkomplizierter zu machen. So soll zum Beispiel der Gebrauch des bislang noch nie genutzten Artikels 44 des EU-Vertrags erleichtert werden. Darüber könnten für einen Militäreinsatz Koalitionen von Willigen gebildet werden.

Plant die EU eine eigene Armee? «Diese Eingreiftruppe darf man nicht als EU-Armee verstehen», sagt Gsteiger. Sie sei allenfalls ein Embryo einer solchen Armee. «Sie ist nicht für die Kriegsführung im grossen Stil gedacht, das wird noch lange Zeit der Nato vorbehalten bleiben». Sie solle nicht primär der Verteidigung Europas dienen, sondern sie für punktuelle Einsätze wie Evakuierungen, dem Einrichten von Schutzzonen unter EU oder unter UNO-Flagge (als Blauhelme) bereitstehen, so der diplomatische Korrespondent. Auch gegen Cyberangriffe soll sie zur Verfügung stehen.

Neue Truppe als «militärisches Herzstück»

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Die multinationale Truppe soll aus substanziell veränderten EU-Battlegroups und anderen Streitkräften der Mitgliedstaaten bestehen. Sie soll bis zu 5000 Soldaten stark und ab 2025 einsatzbereit sein. Es sollen je nach Bedarf neben Bodentruppen auch Luft- und Seestreitkräfte dazugehören. Die Truppe ist Teil eines neuen sicherheitspolitischen Konzepts, das die Aussen- und Verteidigungsminister der 27 EU-Staaten am Montag beschlossen haben. Das Konzept heisst «strategischer Kompass».

Wieso braucht die EU eine eigene Truppe, wenn sie doch mit der Nato zusammenarbeitet? Der strategische Kompass werde Europa militärisch unabhängiger machen, sagt EU-Chefdiplomat Joseph Borell. Die neue Truppe signalisiere, dass sich die EU etwas von der Nato und insbesondere von den USA emanzipieren wollen, so Gsteiger.

Der EU-Aussenbeauftragte Joseph Borell bei einem Besuch der EUFOR-Truppe in Bosnien.
Legende: Der EU-Aussenbeauftragte Joseph Borell bei einem Besuch der EUFOR-Truppe in Bosnien. Keystone

Ist die neue Truppe eine Ergänzung zur Nato? «Ganz klar», sagt Gsteiger dazu. 5000 Soldatinnen und Soldaten seien noch keine Streitmacht. Die Nato selbst könne hunderttausende an Soldaten aufbieten. «Schon allein die Nato-Response-Force besteht aus 50'000 Männern und Frauen. Und die sogenannte Speerspitze, die innerhalb kürzester Zeit aufgeboten werden kann, hat 20'000 Mitglieder.»

Wer soll das bezahlen? Gemäss den Nachrichtenagenturen hat der EU-Aussenbeauftragte Joseph Borell bereits angedeutet, dass es auch darum gehen werde, den europäischen Steuerzahlenden mehr Geld für Sicherheit abzuverlangen. «Wir sind in Gefahr», sagte er. Dessen müsse man sich bewusst sein und dementsprechend handeln. Der Ukraine-Krieg sei eine Art «Weckruf». Laut Borrell gibt die EU aktuell zusammengenommen im Jahr etwa 200 Milliarden Euro für die Rüstung aus, und damit viermal so viel wie Russland. Dieses Geld müsse klüger als bisher investiert werden, um Doppelausgaben zu vermeiden und sogenannte Fähigkeitslücken zu schliessen.

SRF 4 News, 22.032022, 09:20 uhr ; 

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