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Bericht zur Rüstungsindustrie Selbstversorgung statt Handel

Auf den ersten Blick mag die Zahl erstaunen. Um 3.3 Prozent ist der weltweite Waffenhandel zurückgegangen, wenn man die vergangenen fünf Jahre mit dem Zeitraum 2014 bis 2018 vergleicht. Dies geht aus dem neuesten Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri hervor.

Dabei präsentiert sich die Welt unsicher und unberechenbar wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eskalationsrisiken bergen der Ukraine- und der Gaza-Krieg, aber auch die Rivalität zwischen China und den USA. Taiwan oder Nordkorea könnten Schauplätze eines nächsten grossen Krieges werden.

Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie

Paradoxerweise liegt in den Risiken ein Hauptgrund für den Handelsrückgang. Viele Militärmächte wollen die Abhängigkeit von ausländischen Waffenherstellern reduzieren und bauen die eigene Rüstungsindustrie aus. Die Beispiele reichen von der Türkei über Iran und Saudi-Arabien bis Südkorea.

Die Waffenimporte Chinas sind um 44 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig ist China zum zweitgrössten Waffenproduzenten hinter den USA aufgestiegen. Indien verzeichnete zwar einen Importzuwachs von 5 Prozent, aber dieser wäre deutlich grösser ausgefallen, würde das Land nicht Milliarden in die eigene Rüstungsindustrie investieren.

Grosser Verlierer ist Russland, der Hauptlieferant Chinas und Indiens. Die russischen Waffenexporte gingen um 53 Prozent zurück. China und Indien dürften unzufrieden sein mit der Qualität etlicher russischer Rüstungsgüter, vor allem aber wollen auch sie die Auslandsabhängigkeit ihrer Streitkräfte verringern.

Europa importiert mehr Rüstung – aber wie lange noch?

Einen Gewinner im internationalen Waffenhandel gibt es dennoch: die USA. Ihre Exporte haben um 17 Prozent zugenommen. Gerade europäische Staaten kaufen seit einigen Jahren deutlich mehr amerikanische Waffen. Insgesamt haben die europäischen Waffenimporte um sage und schreibe 94 Prozent zugenommen. Viele Regierungen fürchten nämlich, Russland könnte nach Georgien und der Ukraine weitere Staaten angreifen. Die Ukraine selbst ist zum viertgrössten Waffenimporteur der Welt aufgestiegen.

Langfristig sollen auch in Europa die Rüstungsindustrien ausgebaut werden. Zumal die EU das Ziel verkündet hat, unabhängiger von ausländischen – in diesem Fall: amerikanischen – Waffen zu werden. Betrachtet man die EU als einen Block, werden vielleicht auch ihre Waffenimporte in Zukunft eher ab- als zunehmen. Zumindest, wenn sich der Trend hin zur militärischen Selbstversorgung auch in Europa durchsetzt.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

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SRF 4 News, 11.03.2024, 01:00 Uhr

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