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Besuch in Bagdad Erdogan will die Türkei als Regionalmacht etablieren

Einfach dürften die Pläne nicht umsetzbar sein. Auch andere Staaten im Nahen Osten versuchen, mehr Einfluss zu gewinnen.

Worum geht es? Die Türkei will sich als Friedensstifterin im Nahen Osten einsetzen. So hat Präsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende in Istanbul den Auslandschef der palästinensisch-islamistischen Hamas, Ismail Hanijeh, zu Gesprächen getroffen. Erdogan rief dabei zur Einheit der Palästinenser auf. Die stärkste Antwort gegenüber Israel und der Weg zum Sieg seien Einheit und Integrität. Jetzt reist der türkische Präsident nach Bagdad und trifft dort Vertreter der irakischen Regierung.

Was will Erdogan? In den vergangenen Monaten sei Erdogan, auch wegen der Regionalwahlen in der Türkei, nicht mehr sehr präsent gewesen. «Doch jetzt ist er wieder da und er versucht, die Türkei als Regionalmacht ins Spiel zu bringen», sagt Thomas Seibert. Der Journalist lebt in Istanbul. Erdogan unterstützt die Hamas seit je öffentlich. Das Massaker der Islamisten an mehr als 1200 Israelis am 7. Oktober hat er zwar verurteilt, die dafür verantwortliche Hamas-Terrororganisation bezeichnete er aber seither wiederholt als Befreiungsorganisation.

Erdogan will die Türkei zu einer Art Schutzmacht für die Hamas machen und so darauf Einfluss nehmen, wie der Gazastreifen nach dem Krieg regiert wird.
Autor: Thomas Seibert Journalist, lebt in Istanbul

Türkei als Vermittler? Der türkische Präsident hat Israels militärisches Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen wiederholt scharf verurteilt, deshalb wird er in diesem Konflikt kaum als Vermittler fungieren können. Aber: «Erdogan will die Türkei eher zu einer Art Schutzmacht für die Hamas machen und über diesen Hebel darauf Einfluss nehmen, wie der Gazastreifen nach dem Krieg regiert wird», sagt Seibert. So könnte Erdogan der Türkei einen Platz am Tisch im Nahen Osten verschaffen.

Ein Erfolg versprechender Plan? «Erdogan hat schon mehrmals versucht, die Türkei als wichtigen Player im Nahen Osten zu etablieren», sagt der Journalist Seibert. Ob das mit der neusten Initiative klappen wird, sei offen. Schliesslich verfolgten auch andere Länder im Nahen Osten wie Saudi-Arabien und Katar ähnliche Absichten wie die Türkei. Deshalb: «Erdogans Pläne sind also nicht ohne Schwierigkeiten realisierbar – doch er will es auf jeden Fall versuchen.»

Was will Erdogan in Bagdad? Heute reist der türkische Präsident nach Irak zu einem Staatsbesuch – erstmals seit zehn Jahren. Hauptthema in Bagdad dürfte Erdogans Plan sein, türkische Truppen nach Nordirak zu schicken, um dort die kurdische Terrororganisation PKK zu bekämpfen. Erdogan möchte das PKK-Hauptquartier zerstören, das sich in dieser Region befindet. Vor Kurzem hat die irakische Regierung die Kurdenorganisation im Land verboten, damit scheint der Weg jetzt frei, dass sie mit Erdogan jetzt handelseinig wird.

Was bietet Erdogan an? Irak hat ein starkes Interesse an stärkeren Handelsbeziehungen zur Türkei, deshalb sind auch bessere Verkehrs- und Handelswege Thema der Gespräche in Bagdad. So soll etwa zwischen dem Persischen Golf und Istanbul ein Landkorridor aus Strasse und Bahn gebaut werden – ein Projekt im Umfang von 17 Milliarden Dollar. Ausserdem möchte Irak, dass die Türkei mehr Wasser durch die beiden Ströme Euphrat und Tigris ablässt. Erdogan hat also Möglichkeiten, die irakische Regierung gnädig zu stimmen, damit sie seinen Militärplänen im Norden Iraks zustimmt.

SRF 4 News aktuell, 22.4.2024, 07:20 Uhr ; 

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