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Beziehung Nordkorea – USA Jetzt stehen die Zeichen wieder auf Konfrontation

«Unangemessen» wäre es, schreibt US-Präsident Donald Trump seinem nordkoreanischen Amtskollegen Kim Jong-un, sich demnächst in Singapur zu treffen. Denn allzu «feindselig» seien die jüngsten Äusserungen aus Pjöngjang gewesen. Vielleicht könne man das Treffen ja «eines Tages» nachholen. Kim Jong-un könne ihn anrufen oder ihm schreiben, wenn er das wolle.

Den wahren Grund für die Absage nannte Trump jedoch nicht: Entweder kam er selber zur Einsicht oder seine Berater haben ihn dazu gebracht, zu erkennen, dass der geplante Gipfel in Singapur für ihn ein enormes Risiko darstellte. Vor allem die Gefahr, das Gesicht zu verlieren. Hätte der Gipfel kein konkretes Ergebnis gebracht, dann hätte Trump einen sehr hohen Preis bezahlt, ohne etwas dafür zu bekommen.

Seit Jahrzehnten ist ein Gipfeltreffen mit den Amerikanern das Ziel der Machthaber in Nordkorea. Dazu kam neuerdings noch das Bedürfnis, als Atommacht anerkannt zu werden. Beides hätte Pjöngjang im Wesentlichen erreicht, wenn das Treffen mit Trump zustande gekommen wäre.

Und zwar möglicherweise, ohne irgendwelche Gegenleistung. Vor allem ohne jene, welche die Amerikaner, aber auch der Rest der Welt will. Nämlich dass Nordkorea auf sein Atomarsenal verzichtet. Praktisch sämtliche Nordkorea- und Strategie-Experten gingen vor dem geplanten Trump-Kim-Gipfel davon aus, dass Pjöngjang genau diese Bedingung nicht, ja möglicherweise niemals erfüllen will.

Drohkulisse bereits vorhanden

Das Land ist bitterarm, das Regime ist gefährdet. Es hat bloss eine einzige Überlebensversicherung, allerdings eine ziemlich gute: die Atombombe. Daran ändert auch die nun erfolgte Zerstörung der Tunnel auf dem nordkoreanischen Atomtestgelände nichts. Sie ist primär symbolisch zu werten. Kim braucht die Tunnel nicht mehr. Er hat ja inzwischen die Bombe und damit die Drohkulisse.

Die meisten Vertreter von Washingtons Sicherheits-Establishment dürften nun erst einmal aufatmen. Fast alle unter ihnen betrachteten das Gipfeltreffen als tollkühn. Zwar halten die vernünftig Denkenden nichts von einer direkten, massiven militärischen Konfrontation mit dem Kim-Regime. Zu dramatisch erscheinen die möglichen Konsequenzen.

Doch sie fürchteten zugleich ein Gipfeltreffen zwischen einem aussenpolitisch unbedarften US-Präsidenten und einem nordkoreanischen Staatschef, der vermutlich sehr genau weiss, was er will. Ein Gipfel ausserdem, bei dem so gut wie nichts vorbereitet war, vor dem keine ernsthaften Verhandlungen erfolgten, wo überhaupt nichts auch nur annähernd Unterschriftsreifes vorlag – ein solcher Gipfel stellte für sie eine Fahrt ins gefährlich Ungewisse dar, einen Hochrisikoakt.

Normalerweise sind Gipfeltreffen das Sahnehäubchen nach oft jahrelangen, zähen Verhandlungen. Bei der persönlichen Begegnung der Staatschefs wird bloss noch zelebriert, was längst beschlossen ist. Doch diesmal war nichts ausgehandelt.

Flop wäre für Nordkorea einfacher zu verkraften

Hätte der Gipfel zwar stattgefunden, aber ohne jedes zählbare Ergebnis geendet, hätte das für die USA eine gewaltige Desavouierung bedeutet, einen weiteren Kratzer im ohnehin angeschlagenen Image der bisher alleinigen Supermacht. Für Nordkorea hingegen wäre ein Nullresultat halb so schlimm gewesen. Ein Land, das seine Medien total kontrolliert, indem es keine kritische Öffentlichkeit gibt, hätte den Flop leicht wegerklären können. Und Kim hätte ja zumindest sein ersehntes Treffen mit dem US-Präsidenten gehabt.

Verschärfte Kriegsrhetorik

Dennoch gibt es Gründe, das Platzen des Gipfels zu bedauern. Denn die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass man nun auf den vernünftigen, aber langwierigen Weg von Verhandlungen mit Nordkorea einschwenkt. Auf einen Weg, der dann irgendwann tatsächlich in ein chancenträchtiges Gipfeltreffen münden könnte.

Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass nun wieder die krasse Kriegsrhetorik einsetzt und die Kriegsgefahr abrupt steigt. Bereits droht Pjöngjang mit einem nuklearen «Showdown». Und Trump, in derselben Manier, prahlt mit seinen Atomwaffen, die so gewaltig seien, dass er zu Gott bete, sie nie einsetzen zu müssen.

Die Alternative zum abgesagten Gipfel, so scheint es, ist also nicht eine Schritt-für-Schritt-Annäherung, sondern stattdessen die scharfe Konfrontation.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

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