Zum Inhalt springen

Bilaterale Beziehungen EU – Schweiz: Bundesrat lässt Verhandlungsmandat ausarbeiten

  • Der Bundesrat kommt aufgrund der Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit der EU zum Schluss, dass jetzt die Zeit für den Entwurf eines Verhandlungsmandats reif ist.
  • Über die Annahme des Mandats und die Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen sowie der Kantone will der Bundesrat bis Ende Jahr entscheiden.
  • Die EU-Kommission nimmt den Entscheid zur Kenntnis: Das mit der Schweiz erzielte Verständnis werde in den nächsten Wochen diskutiert.

Aus Sicht des Bundesrats sind die Vorgespräche mit Brüssel abgeschlossen. Sie hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) beauftragt, den Entwurf für ein Verhandlungsmandat zu erarbeiten. Über die Annahme will der Bundesrat noch vor Jahresende entscheiden.

Zeit reif für Entwurf

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit der EU erlauben es nach Ansicht des Bundesrats, den Entwurf auszuarbeiten. Die Europäische Kommission sei gleichentags über diesen Entscheid informiert worden.

Umstritten waren bei den bisherigen Gesprächen mit der EU insbesondere die Personenfreizügigkeit und der Lohnschutz für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein Grossteil der Fragen konnte laut Bundesrat zufriedenstellend geklärt werden. Einige Themen müssten jedoch noch vertieft werden.

Kantone machen Tempo

Die Kantonsregierungen begrüssten den Entscheid. Für die Weiterführung und Weiterentwicklung eines soliden und nachhaltigen Verhältnisses mit der EU brauche die Schweiz vertraglich geregelte Beziehungen.

Die Herausforderungen liegen auf dem Tisch. Für geregelte Beziehungen mit der EU braucht es jetzt Verhandlungen.
Autor: Markus Dieth Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)

Der Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Markus Dieth, spricht von einem wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Die Herausforderungen lägen nun auf dem Tisch. Für nachhaltig geregelte Beziehungen mit der EU brauche es nun Verhandlungen: «Die Kantonsregierungen sind bereit, schnell zu einem Verhandlungsmandat Stellung zu nehmen.»

«Verbesserte Gesprächsatmosphäre, altbekannte Knackpunkte»

Box aufklappen Box zuklappen

Einschätzungen von Brüssel-Korrespondent Andreas Reich: «Die EU-Kommission hat heute nur mit einer kurzen schriftlichen Stellungnahme auf den Beschluss des Bundesrats reagiert: Man nehme den Beschluss zur Kenntnis und werde in den kommenden Wochen über das mit der Schweiz erzielte gemeinsame Verständnis diskutieren.

Was dieses «Verständnis» genau ist, will niemand öffentlich sagen. Beobachterinnen und Beobachter müssen zwischen den Zeilen lesen. Das Bild, das sich in Brüssel nach mehr als eineinhalb Jahren Sondierungsgesprächen präsentiert, ist folgendes: Die Gesprächsatmosphäre zwischen Bern und Brüssel hat sich seit dem Ende des institutionellen Rahmenabkommens zwar deutlich verbessert, die Knackpunkte sind aber altbekannt.

Inhaltlich streitet man noch immer über die Ausgestaltung des Lohnschutzes oder der Personenfreizügigkeit. Auch am Grundsatz, dass der Europäische Gerichtshof in letzter Instanz über Streitfälle, die das EU-Recht betreffen, befinden soll, will die EU nicht rütteln. Daran haben auch alle Sondierungsrunden nichts geändert.»

Economiesuisse: gute Ausgangslage nutzen

Der Weg für Verhandlungen in der Europapolitik sei damit geebnet, erklärt der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Viele offene Fragen seien geklärt. Der Abschluss der Sondierungsgespräche sei ein wichtiger Schritt zu Sicherung des bilateralen Wegs: «Jetzt gilt es, diese gute Ausgangslage zu nutzen und ein Verhandlungsmandat zu verabschieden.»

SGB: Zustimmung mit Vorbehalt

Die Gewerkschaften sprachen sich bereits Anfang Woche gegen die Ergebnisse der Sondierungsgespräche aus. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) wiederholte am Mittwoch seine Vorbehalte und will die Entwicklung eines Verhandlungsmandats nur unterstützen, wenn Lohnschutz und Service public gewährleistet sind. Der Bundesrat stellte diesbezüglich fest, dass der Service public von den Verhandlungen nicht tangiert werde.

Parteien: erfreut bis skeptisch

Die SP fordert vom Bundesrat jetzt ein «ausgeglichenes» Verhandlungsmandat. Anscheinend seien in wichtigen Themen noch keine ausgeglichenen Lösungen erzielt worden. Die FDP begrüsst den Auftrag ans Departement Casssis. Der sektorielle Ansatz entspreche einer älteren Forderung der Partei.

Mitte-Aussenpolitikern Elisabeth Schneider-Schneiter spricht von einem überfälligen Entscheid, der essenziell für eine prosperierende Schweiz sei. «Endlich», hiess es bei den Grünen: Der Bundesrat müsse nun alle europafreundlichen Kräfte einbinden und sich von den Isolationisten abgrenzen. Die EU-kritische Organisation Pro Schweiz warf dem Bundesrat vor, die Landesinteressen nicht verteidigen zu wollen.

Der lange Weg zum grossen Paket

Box aufklappen Box zuklappen

Schweizer Diplomaten und Diplomatinnen führten seit April 2022 in Brüssel sogenannte Sondierungsgespräche, um abzuschätzen, wo sich die Schweiz und die EU einig werden können. Es ging unter anderem um neue Abkommen zu Strom, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, aber auch um die Wiederaufnahme der Schweiz in die EU-Forschungs- und Bildungsprogramme «Horizon Europe» und «Erasmus plus». Dazu kamen institutionelle Fragen zur Regelung der Streitbeilegung und dynamischer Rechtsübernahme.

Bereits im letzten Juni gab der Bundesrat bekannt, er habe die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat mit der EU verabschiedet und wolle sich bis Ende Jahr auf die Verabschiedung eines solchen vorbereiten. Die letzte Runde der Sondierungsgespräche mit der EU fand am 27. Oktober 2023 statt. Parallel dazu führte der Bundesrat in den letzten Monaten Gespräche mit Kantonen, Sozialpartnern und den Wirtschaftskreisen. Im Zentrum standen die Personenfreizügigkeit, der Lohnschutz für entsandte Arbeitnehmende und staatliche Beihilfen.

 

SRF 4 News, 08.11.2023, 14:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel