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Bitcoin-Experiment Der Bitcoin im Alltag von El Salvador

Im Herbst 2021 führte El Salvador den Bitcoin als Landeswährung ein. Wo man in der Sache inzwischen steht, weiss die Journalistin Sandra Weiss.

Sandra Weiss

Journalistin in Mexiko

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Die gebürtige Deutsche lebt und arbeitet seit 1999 als Journalistin in Lateinamerika. Sie berichtet von dort aus für diverse deutschsprachige Medien.

SRF News: Inwiefern ist der Bitcoin im salvadorianischen Alltag angekommen?

Sandra Weiss: Um den Bitcoin populär zu machen, konnte jede Bürgerin, jeder Bürger eine virtuelle Geldbörse eröffnen, auf der 30 Dollar Guthaben in Bitcoin drauf waren. Rund 60 Prozent der Bevölkerung machten dabei mit, doch laut einer Umfrage haben die meisten von ihnen bloss die 30 Dollar abgeholt. Inzwischen finden noch rund 5 Prozent aller Finanztransaktionen in El Salvador in Bitcoin statt.

Präsident Nayib Bukele kündigte vor ein paar Monaten die erste «Bitcoin City» der Welt an. Wo steht man da?

Die Pläne für die sehr futuristische Stadt stehen, finanziert werden soll der Bau durch eine Bitcoin-Anleihe. Die Herausgabe einer solchen wurde durch den kürzlich erfolgten Bitcoin-Crash nun aber vorerst zunichte gemacht. Deshalb steht der Bau der Stadt derzeit in den Sternen.

Machen sich die Kursverluste in der realen Wirtschaft bemerkbar? Schliesslich hat der Bitcoin seit der Einführung als Zahlungsmittel in El Salvador mehr als die Hälfte seines Werts verloren...

Das Problem ist die Intransparenz in El Salvador. Präsident Bukele kontrolliert alle Staatsgewalten und knebelt die Presse. Deshalb weiss gar niemand so genau, wie viele Bitcoins das Land besitzt. Für ihren Kauf ist nicht etwa die Zentralbank zuständig, sondern der Präsident selber – er kauft sie und teilt das per Twitter mit.

Präsident Bukele kauft die Bitcoin selber und teilt das per Twitter mit.

Demnach hat Bukele bislang rund 400 Millionen Dollar in Bitcoin investiert und entsprechend grosse Verluste eingefahren. Deshalb klafft im Staatshaushalt ein grosses Loch und manche Bereiche wie die Gesundheitsversorgung müssen mit weniger Geld auskommen. Im Januar 2023 ist die Rückzahlung der nächsten Eurobonds fällig – und es ist unklar, wie Bukele dies machen wird. Es droht die Staatspleite.

Das Bitcoin-Experiment war von Anfang an ein Risiko, es gab entsprechende Warnungen. Ist Bukele ein Spieler?

Zunächst hatte es einen richtigen Bitcoin-Hype gegeben, vor allem in den Surf-Städten am Pazifik, wo US-Amerikaner leben, die dort den Bitcoin einführten, wovon auch junge Einheimische profitierten. Doch der Grossteil der Bevölkerung steht dem Bitcoin sehr skeptisch gegenüber und viele halten das Experiment für eine Marotte des Präsidenten.

Bukele.
Legende: El Salvadors Präsident Nayib Bukele gibt sich als Visionär – ob sein Bitcoin-Experiment ins Desaster führt, wird sich erst noch zeigen. Keystone

Wie kommt Bukele inzwischen im Volk an?

Er verkauft sich als Visionär und Macher, als jemand ganz anderes als die traditionellen Politiker. Das kommt in der Bevölkerung gut an: 80 Prozent stehen hinter ihm, obwohl er autoritär regiert.

Und sollte der Kursverfall anhalten, droht dem Land eine Finanzkrise oder gar der Staatsbankrott.

Allerdings ist der Bitcoin ein Thema, bei dem die Bevölkerung nicht wirklich mitgezogen hat. Inzwischen gab es auch mehrere Demonstrationen gegen den Bitcoin. Und sollte der Kursverfall anhalten, droht dem Land eine Finanzkrise oder eben gar der Staatsbankrott – mit entsprechenden wirtschaftlichen Verwerfungen. In dem Fall wäre die Wiederwahl Bukeles 2024 bedroht.

Seit 2001 gilt in El Salvador der Dollar als offizielles Zahlungsmittel – und seit letztem Herbst eben der Bitcoin. Könnte dieser bald zur einzigen Landeswährung werden?

Die Pläne Bukeles sind sehr unklar, man hat nicht den Eindruck, dass er langfristig plant. Auch er hat wohl gemerkt, wie hochriskant die Anlage in Bitcoin ist. Deshalb ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass der Bitcoin den Dollar ganz ablöst.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 27.5.2022, 18:00 Uhr ; 

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