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Blutige Unruhen in Irak «Die Regierung sollte nicht nur symbolische Schritte ergreifen»

In Irak protestieren seit Tagen mehrheitlich junge Männer gegen die Regierung. Immer wieder kommt es dabei zu Gewalt. Mindestens 30 Menschen sind bisher ums Leben gekommen. Am Abend meldete sich Iraks Regierungschef Adel Abdel Mahdi erstmals zu Wort. Er bezeichnete die Anliegen der Demonstranten als berechtigt, betonte aber, dass es keine Zauberformel gebe, um alle Probleme zu lösen. Inga Rogg berichtet über die Hintergründe.

Inga Rogg

Journalistin

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Inga Rogg ist freie Journalistin in Jerusalem. Sie berichtete zunächst für die NZZ von 2003 bis 2012 aus Bagdad, dann bis 2019 aus Istanbul. Von 2019 bis 2023 war sie NZZ-Korrespondentin in Jerusalem. Seit Sommer 2023 arbeitet sie als freie Journalistin.

SRF News: Wie sieht die Situation derzeit in Irak aus?

Es hat in der vergangenen Nacht weitere Proteste gegeben, aber heute Morgen ist es vergleichsweise ruhig. Die Proteste beginnen in der Regel am Nachmittag und halten bis in die Nacht hinein an.

Die aktuellen Proteste richten sich gegen die grassierende Korruption in Irak.

Iraks Regierungschef bezeichnete die Forderungen der Demonstranten als berechtigt. Er kündigte Hilfe für benachteiligte Familien an. Wird das reichen, um die Proteste in den Griff zu bekommen?

Nein, die Fernsehansprache von Adel Abdel al-Mahdi war sehr schwach, trotz dieser Versprechungen. Mahdi hat seine eigene Regierung gelobt und hat gesagt, es werde keine schnelle Lösung geben. Damit hat er natürlich recht. Aber die Protestierenden kritisieren alle politischen Lager, nicht nur seines. Er muss sich sehr viel mehr bewegen, als er das in der Fernsehansprache getan hat.

Worum geht es den Männern, die in den letzten Tagen zu Tausenden auf die Strasse gegangen sind?

Die jungen Protestierenden sind frustriert darüber, dass die Regierung nicht auf ihre Anliegen eingeht. Seit Jahren gab es immer wieder Demonstrationen und Forderungen nach Reformen, und trotzdem hat sich aus ihrer Sicht zu wenig getan. Die aktuellen Proteste richten sich gegen die grassierende Korruption in Irak. Zudem ist die Arbeitslosigkeit unter den jungen Leuten extrem hoch. Da wollen die Demonstranten eine schnelle Lösung.

Es kommt sehr viel Geld ins Land und dieses müsste in die Privatwirtschaft investiert werden.

Was sind die konkreten Vorwürfe der Demonstrierenden?

Das Problem ist, dass sehr viel Geld versickert und nicht investiert wird. Irak ist ein Ölland. Alle Ölländer haben das Problem, dass sehr wenige Arbeitskräfte gebraucht werden. Es kommt sehr viel Geld ins Land und dieses müsste in die Privatwirtschaft investiert werden, damit müssten Leitplanken geschaffen werden, und dann müsste den ausländischen Investoren, die durchaus ins Land kommen wollen, das Leben leichter gemacht werden. Es gibt so viele bürokratische Hindernisse. Die Regierung sollte nicht nur symbolische Schritte ergreifen, sondern tatsächlich auch Leute vor Gericht bringen, die sich schwerer Korruption schuldig gemacht haben.

Die Sicherheitslage im Land ist einigermassen stabil, seitdem die Terrormiliz IS vor zwei Jahren vertrieben wurde. Was ist Ihre Einschätzung?

Die Sicherheitslage ist tatsächlich relativ gut, das Land ist so stabil wie seit vielen Jahren nicht mehr. Diejenigen, die jetzt demonstrieren, sind junge Schiiten in Bagdad und im Süden des Landes, die vom Krieg gegen den IS nicht betroffen waren. Die Proteste zeigen, dass die Regierung dringend für diese unzufriedenen Jugendlichen etwas tun muss.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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