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Britische Konservative reagieren auf Umfragetief
Aus Tagesschau vom 04.10.2023.
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Britische Konservative in Not Rishi Sunaks verzweifelte Flucht nach vorn

Es ist ein Slogan wie aus einem Lehrbuch für politisches Marketing: «Eine strahlende Zukunft» verspricht die Konservative Partei dem Vereinigten Königreich. So steht es an der Wand hinter der Bühne, auf der Rishi Sunak in Manchester das Wort ergreift, um den konservativen Delegierten am diesjährigen Parteikongress Mut zu machen.

Rishi Sunak an einem Rednerpult.
Legende: Rishi Sunak verspricht seinen Wählerinnen und Wählern «eine strahlende Zukunft» und «langfristige Entscheidungen». Keystone/ADAM VAUGHAN

Doch für eine «strahlende Zukunft» brauche es «langfristige Entscheidungen». So bereitet Sunak den Boden für eine Ankündigung, die nicht visionär ist – sondern schonungslos aufzeigt, wie schlecht es um die Finanzen steht: Sunak verkleinert das Projekt des Hochgeschwindigkeitszuges zwischen London und der Wirtschaftsmetropole Manchester – und verzichtet auf die zweite Bauetappe zwischen Birmingham und Manchester.

Der Grund: Die Kosten laufen aus dem Ruder. Statt der im Jahr 2010 ursprünglich veranschlagten rund 37 Milliarden Pfund dürfte die Hochgeschwindigkeitsstrecke am Schluss weit über 100 Milliarden kosten. Das kann sich Grossbritannien mit seiner rekordhohen Schuldenlast von inzwischen rund 100 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung nicht mehr leisten.

Gewagte Pirouette politischer Rhetorik

Diesen Verzicht als «langfristige Entscheidung» für «eine bessere Zukunft» zu verkaufen, ist eine gewagte Pirouette politischer Rhetorik. Der Verzicht mag finanzpolitisch richtig sein. Damit Wahlen gewinnen zu wollen, ist aber kaum möglich. Im Gegenteil: Mit dieser Projektänderung bringt Sunak Millionen von Wählerinnen und Wählern im Norden gegen sich und seine Partei auf, die auf dieses Zukunftsprojekt gehofft hatten.

Und schon greift Sunak in die Trickkiste und verspricht «Hunderte» neuer Ausbauprojekte «zwischen West und Ost» – «da, wo sie die Leute brauchen» und nicht «zwischen London und anderen Städten» – «da, wo sie die Politiker in London wollen».

Sunak ein Mann des Wandels?

Es ist ein populistischer Taschenspielertrick: Rishi Sunak gibt vor, die Interessen der Millionen von Leuten draussen im Land wahrzunehmen und geht auf Distanz zur politischen Elite in London, der er selbst angehört. Und er verspricht, 36 Milliarden Pfund in lokale Bahn- und Strassenprojekte umzulagern, die durch den Verzicht auf die Birmingham-Manchester-Schnellstrecke «frei geworden» seien. Doch Halt: Bei der London-Manchester-Schnellbahn ist gar kein Geld frei geworden.

Und Sunak gibt noch einen drauf: Er versucht, sich als Mann des Wandels zu verkaufen. Das Land brauche «eine Regierung des Wandels. Und wir Konservativen sind der Wandel.» Oppositionsführer Keir Starmer wiederum stehe für den «Status quo der letzten 30 Jahre», sagt Sunak ohne mit der Wimper zu zucken – ausblendend, dass seine konservative Partei seit 13 Jahren an der Macht ist. Die nächste gewagte Pirouette also.

Der Wahlkampf ist eröffnet

Kurz gesagt: Rishi Sunak versucht die Flucht nach vorn. Denn in Umfragen steht seine Partei seit einem Jahr auf verlorenem Posten, liegt in der Wählergunst gegenwärtig 16 Prozentpunkte hinter Labour zurück. Wäre am 22. September gewählt worden, hätten noch 27 Prozent Sunaks Konservative gewählt. 43 Prozent hätten für Keir Starmers Labour eingelegt.

Am Parteikongress in Manchester versucht Sunak, die Konservativen auf einen harten Wahlkampf einzuschwören, verspricht auch Verbesserungen – will heissen: mehr Geld – für Gesundheit, Bildung, Sicherheit und die Abwehr von Bootsflüchtlingen.

Der Wahlkampf ist eröffnet. Gewählt wird voraussichtlich in einem Jahr. Der Weg in eine «strahlende Zukunft» wird lang und steinig.

Michael Gerber

Michael Gerber

Grossbritannien-Korrespondent

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Michael Gerber ist seit Frühjahr 2022 TV-Korrespondent für Grossbritannien und Irland. Zuvor war er Koordinator der SRF-Fachredaktion Ausland und Sonderkorrespondent. Von 2011 bis 2017 berichtete er als Korrespondent aus Frankreich. Zuvor war er Korrespondent in der Westschweiz und Redaktor und Reporter von «10vor10».

Echo der Zeit, 04.10.2023, 18 Uhr

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