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Ersatzwahlen Grossbritannien Rishi Sunak kommt mit einem blauen Auge davon

«Lächle und sei froh, es hätte schlimmer kommen können.» Eine Aufmunterung in diesem Stil haben Berater dem britischen Premierminister Rishi Sunak heute Morgen beim Morgenrapport womöglich zugeraunt.

In der Nacht wurden die wenig schmeichelhaften Resultate der Ersatzwahlen in drei Wahlkreisen bekannt, die bisher traditionell von konservativen Abgeordneten gehalten worden waren. Zwei Sitze haben die Konservativen verloren – einen an Labour, den anderen an die Liberaldemokraten. Einen Sitz konnten sie halten, ganz knapp mit wenigen Hundert Stimmen.

Johnsons Sitz gehalten

Der erfolgreich verteidigte Sitz ist ironischerweise jener, der bisher vom früheren Premierminister Boris Johnson besetzt gewesen war. Grund für die abgewendete Dreifachwahlschlappe ist nicht in erster Linie eine Welle von Boris-Johnson-Nostalgie. Nein. Den Konservativen hat geholfen, dass die oppositionelle Labour-Partei eine unpopuläre Umweltmassnahme des Londoner Stadtpräsidenten Sadiq Khan mittragen musste.

Der Labour-Stadtpräsident hat vor wenigen Tagen angekündigt, dass er die strengen Abgasvorschriften für Fahrzeuge vom erweiterten Stadtzentrum Londons auf die ganze Agglomeration ausdehnen wird. Ab Ende August müssen Motorfahrzeuge, die über 16 Jahre alt sind, eine Umweltabgabe von 14 Franken bezahlen – pro Tag! Für Dieselfahrzeuge gilt diese Abgabe schon ab dem 6. Betriebsjahr.

Sadiq Kahn will damit für saubere Luft im Grossraum London sorgen. Doch im bisherigen Boris-Johnson-Wahlkreis Uxbridge and South Ruislip sorgte er damit im Wahlkampf-Team des Labour-Kandidaten Danny Beales für ziemlich dicke Luft. Beales ging im Wahlkampf auf Distanz zur Umweltabgabe. Doch das war vergebene Liebesmüh. Er hat es nicht geschafft, genügend konservative Wählerinnen und Wähler umzustimmen, um die Ersatzwahl zu gewinnen. 

Die Neuwahlen sind noch nicht verloren

Für Labour könnte die Lehre im Hinblick auf die Neuwahlen vom kommenden Jahr sein: Auch bei einem zweistelligen Umfragevorsprung auf die Konkurrenz ist ein Wahlsieg nicht garantiert, wenn unpopuläre Programme die Wählerschaft in Aufregung versetzen. Labour-Chef Keir Starmer hat dies längst erkannt und tut alles, um das Wahlprogramm möglichst leicht, bekömmlich und auch für konservative Wählerschichten ansprechend zu gestalten.

Die Konservativen können sich nach dem heutigen Ergebnis Mut zusprechen: Die Neuwahlen sind noch nicht verloren, nach dem Motto: «Lächle und sei froh, es könnte wieder besser kommen.»

Michael Gerber

Grossbritannien-Korrespondent

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Michael Gerber ist seit Frühjahr 2022 TV-Korrespondent für Grossbritannien und Irland. Zuvor war er Koordinator der SRF-Fachredaktion Ausland und Sonderkorrespondent. Von 2011 bis 2017 berichtete er als Korrespondent aus Frankreich. Zuvor war er Korrespondent in der Westschweiz und Redaktor und Reporter von «10vor10».

Tagesschau, 21.07.2023, 12:45 Uhr

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