Die Skeleton-Eisbahn in St. Moritz und das britische Oberhaus hätten eine grosse Gemeinsamkeit, schrieb kürzlich eine britische Zeitung. Beides sei geschaffen worden, um gelangweilte Adlige zu beschäftigen. Und in beiden Arenen habe man nur Zutritt, wenn man über die richtige Herkunft verfüge.
Vor den Wahlen äusserte Labour-Chef Keir Starmer deshalb die Absicht, das feudale Beschäftigungsprogramm abzuschaffen. Das House of Lords sollte in einen Regionalrat, ähnlich dem Ständerat, transformiert werden.
Alterslimite 80 für Erbadel als erster Schritt
Die komplette Zerlegung des Oberhauses hätte aber wohl ein bisschen gar viel Staub aufgewirbelt. Deshalb will der neue Premierminister die demokratische Anomalie in palliativen Schritten reformieren.
Angesichts der Tatsache, dass einige betagte Lords während der Debatten regelmässig einnicken, soll im Reservat des britischen Erbadels erst einmal eine Alterslimite von 80 Jahren eingeführt werden. Doch in einem zweiten Schritt sollen die 92 Vertreter des Erbadels aus dem Oberhaus eliminiert werden.
Auf konservativer Seite sorgte der Gesetzesentwurf für einen Aufschrei: Starmer sei gerade daran, die historische DNA des Königreichs zu zerstören. Die Vererbungslehre der Macht ist in diesem Land tatsächlich sehr traditionell. Einige Familien sitzen genetisch bedingt seit einigen Hundert Jahren im Parlament.
Mit dem Umstand, dass die Aristokraten von den steuerzahlenden Untertanen umgerechnet 400 Franken pro Tag erhalten, damit sie gelegentlich im Westminster Palast auftauchen, sich in tote Tiere hüllen und möglichst nicht einschlafen, könnten viele Kritikerinnen und Kritiker noch leben.
Beissende Kritik schon vor über 100 Jahren
Gemäss Buchhaltung kosten die Hermelin-Pelze, mit denen die purpurnen Festroben der Lords und Ladys geschmückt werden, jährlich rund eine Viertelmillionen Franken.
Im Vergleich zur Monarchie, deren Prachtentfaltung jährlich mit rund 100 Millionen zu Buche schlägt, ein erschwinglicher Budgetposten. Nein, das weitaus schwerwiegendere Problem ist für viele, dass diese nicht gewählten Leute bei der Ausarbeitung der Gesetze mitreden.
Aufgeklärten Britinnen und Briten war dieses Privileg schon immer ein Dorn im Auge. «Es gibt nichts, was diese Leute rechtfertigt», wetterte bereits Premierminister Lloyd George 1909 über den Erbadel im Oberhaus: Sie bräuchten keinerlei Nachweis, dass sie körperlich und geistig der Aufgabe gewachsen seien. Alles, was sie benötigen würden, sei eine Geburtsurkunde, die bestätige, dass sie die ersten des Wurfes gewesen seien. Nach solchen Prinzipien, meinte George, würde man nicht einmal einen Dackel auswählen.