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Budget-Streit im Bundestag Kein Feuer, keine Erfolge: Merz verliert an Vertrauen

Auf dem Parkplatz vor dem Bundestag ist zu sehen, was in den Augen vieler falsch läuft in Deutschland. Die gepanzerten Regierungslimousinen sind allesamt schwarz – drinnen, im Bundestag, sind die Zahlen rot. Allesamt. Wolfgang Schäuble, CDU-Urgestein und Schwarze-Null-Verfechter, würde sich im Grabe umdrehen. Umgekehrt müsste es sein für viele CDU-ler. Die Zahlen schwarz, die Autos rot. Rote Autos sehen zwar nicht so gut aus, schwarze Zahlen dafür umso mehr. Es wäre ein hinnehmbarer Kompromiss.

Keine neuen Schulden: Merz bricht sein Versprechen

Deutschland startet also mit Rekordschulden ins Jahr 2026: 174 Milliarden Euro will Deutschland an Krediten aufnehmen – obwohl der Kanzler noch im Wahlkampf versprochen hatte: Kein Leben auf Pump! Doch offenbar schätzt man die Probleme in Berlin als so gross ein, dass nur Schulden helfen. Rekordinvestitionen in Bahn, Infrastruktur wie Strassen oder Digitalnetze sind angekündigt – aber bei den Menschen noch nicht spürbar. Klar, Merz ist erst seit 141 Tagen im Amt. Grosse Reformen brauchen Zeit. Aber Deutschland ist ungeduldig.

«Sie sind der Bankrotteur unter den Kanzlern», ruft AfD-Chefin Alice Weidel ins Plenum. Rechtsaussen schlägt massive Kürzungen vor bei Klimaschutz, Beiträgen für die Europäische Union, Ukraine-Hilfe und Sozialem. Merz und seine CDU-SPD-Regierung versuchen das Gegenteil: Schulden aufnehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln, Steuereinnahmen zu vermehren. Ein bisschen sparen gehört auch dazu, Finanzminister Klingbeil schwor die Deutschen gestern auf «harte Zeiten» ein. Doch das klingt härter, als es ist – wenn man sich die Einzelposten des Budgets anguckt.

Kein Feuer, keine Erfolge: Merz verliert an Vertrauen und Beliebtheit

Doch eben, man spürt Merz noch nicht im Alltag. Die Pünktlichkeitsziele bei der Bahn zum Beispiel wurden eben auf 2029 verschoben, bei den Investitionen bleibt unklar, wer wann davon profitieren wird. Und für viele Menschen am schlimmsten: Beim Kanzler spürt man kein Feuer mehr. Seine Rede am Vormittag im Bundestag wirkte uninspiriert, sie versprühte keine Aufbruchstimmung – sondern bestand vor allem aus Versprechungen. Oder Rechtfertigungen.

Entsprechend schlecht sind die Beliebtsheitswerte des Kanzlers: Laut einer Insa-Umfrage liegt Merz nun hinter Sahra Wagenknecht. Hinter Alice Weidel. Hinter Heidi Reichinnek von der Linken. Ein Desaster für einen Kanzler, der, wie alle Menschen in der Politik, nicht nur an Taten, sondern auch an Popularität gemessen wird. Wenn Dich die Menschen nicht mögen, dann vertrauen sie Dir auch nicht.

Entspannen kann sich heute nur einer: Alt-Kanzler Olaf Scholz

Und während Merz in Berlin seine Ankündigungen macht, läuft in New York die grosse Weltpolitik. «Warum sind Sie nicht in New York, Herr Merz?», fragt Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann. Macht Merz Innenpolitik, wirft man ihm vor, die Aussenpolitik zu vergessen. Macht Merz Aussenpolitik, wirft man ihm vor, das Innere zu vergessen. Tatsächlich kann man heute den Eindruck gewinnen: Merz macht beides, aber beides nur halb. Überhaupt: Was er macht, finden viele falsch.

Es ist fast schon ein bisschen wie bei Olaf Scholz. Er ist einer der wenigen, die sich heute entspannen können. Lässig kommt er als Bundestagsabgeordneter viel zu spät – kann nun zusehen, wie sein Nachfolger demontiert wird. Ausgerechnet Scholz, der schwarze Autos hatte und rote Zahlen wollte – und seine Ampel-Koalition so ins Verderben fuhr. Und den Dingen nun vom Parkplatz der Geschichte aus zuschaut.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Stefan Reinhart und Informationen zu seiner Person.

Rendez-vous, 17.09.2025, 12:30 Uhr;liea

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