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Cassis bei der UNO Schweizer Innenpolitik in New York

Die jährliche Rede vor der Generalversammlung bietet den Staats- und Regierungsoberhäuptern der 193 UNO-Staaten Gelegenheit, das eigene Land im besten Licht erscheinen zu lassen und mit grossen Zielen um Aufmerksamkeit zu werben.

Bundespräsident Ignazio Cassis liess in seiner Rede am Dienstagnachmittag nicht unerwähnt, dass die Schweiz als einziges Land der Welt den UNO-Beitritt mittels einer Volksabstimmung beschlossen hatte. «Das ist der Grund, weshalb wir uns so eng mit der UNO-Charta verbunden fühlen», sagte er vor den Hunderten von Delegationsmitgliedern im grossen Saal der UNO in New York.

Keine konkreten Initiativen

Viele dort dürften während Cassis’ Rede besonders genau zugehört haben. Denn 20 Jahre nach dem Volks-Ja zum UNO-Beitritt nimmt die Schweiz nun erstmals Einsitz im mächtigsten aller UNO-Organe: Von 2023 bis 2024 wird sie als nicht permanentes Mitglied dem UNO-Sicherheitsrat angehören. «Mit ihrer Kandidatur hat die Schweiz gezeigt, dass sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen für die Wahrung von Frieden und Sicherheit in der Welt», sagte Cassis in seiner Rede.

Die Erwartungen in New York sind hoch, stellt sich die Schweiz auf dem diplomatischen Parkett doch gerne als erfolgreiche Vermittlerin dar. Cassis umriss denn auch die vier Ziele, die sich die Schweizer Regierung als Sicherheitsrats-Mitglied gesetzt hat: Friedensförderung, Schutz der Zivilbevölkerung, Stärkung der Wirksamkeit des Sicherheitsrats, Klimasicherheit. 

Hehre Ziele – aber auch vage. Der Bundespräsident vermied es, etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg konkrete Initiativen anzukündigen. Dafür gibt es etliche Gründe.

Unter Beobachtung der SVP

Die UNO befindet sich in der vielleicht schwersten Krise ihrer bald 80-jährigen Geschichte. Die Spannungen zwischen Grossmächten und Staatengruppen lähmen in erster Linie den Sicherheitsrat, wo die fünf permanenten Mitglieder mit ihrem Veto Entscheide blockieren können. Vor allem Russland, China und die USA machen davon Gebrauch.

«Ein Plus für den Frieden», hatte die Schweizer Regierung mit der Sicherheitsrats-Kandidatur versprochen. Gegenüber SRF äusserte sich Cassis unmittelbar nach seiner Rede nüchterner: «Wir können als nicht permanentes Mitglied nicht grosse Würfe einbringen.»

Zudem bekundet die Schweiz derzeit ohnehin Mühe, in Kriegen und Konflikten als Vermittlerin zu wirken. Für Russland scheidet sie als solche aus, nachdem sie die Anti-Russland-Sanktionen der EU übernommen hat. Vermittlerstaat ist die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Schliesslich stehen Cassis und sein Aussenministerium unter scharfer Beobachtung der SVP, welche die Sicherheitsrats-Kandidatur jahrelang bekämpft hat. Cassis, so scheint es, will zu Hause keine Angriffsflächen bieten und übt sich daher draussen in der Welt in Zurückhaltung. Oder um es in Cassis’ eigenen Worten auszudrücken: «Aussenpolitik ist  Innenpolitik.» Und eine Rede vor der Uno in New York ist immer auch eine Rede fürs eigene Publikum.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

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