Charlie Kirk hatte nie ein politisches Amt, arbeitete nie im Weissen Haus. Aber Kirk war nicht nur ein enger Verbündeter von Präsident Donald Trump, er war auch eine sehr einflussreiche Figur in dessen politischer Bewegung. Kirks Organisation namens «Turning Point USA», die er 2012 mitgegründet hatte, wurde zu einer Art Jugendarm von Trumps MAGA-Bewegung. Es ist wohl teilweise Kirk zu verdanken, dass Trump besonders bei jungen männlichen Wählern sehr gut abschnitt und im letzten November gewählt wurde.
Kirk erreichte junge Amerikanerinnen und Amerikaner auf eine Weise, wie es der politischen Linken nicht gelang. Mit seinen Podcasts, den Anlässen seiner Organisation und mit seinen Auftritten an Universitäten wurde Kirk zu einem der grossen rechtskonservativen Stars.
Kirk ist das jüngste Opfer der politischen Gewalt in den USA
Kirk vertrat teils sehr provokante Positionen, aber er scheute nie die offene Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Nun ist er ausgerechnet an einer solchen öffentlichen Veranstaltung getötet worden – auf einem Universitätsgelände im Bundesstaat Utah. Motiv und Identität des Täters sind noch unbekannt, aber Spencer Cox, der Gouverneur von Utah, spricht von einem politischen Attentat. Der 31-jährige Kirk ist somit das jüngste Opfer der politischen Gewalt, die eine Konstante der US-Geschichte ist. Man denke an die Ermordung von Präsident Abraham Lincoln, die tödlichen Schüsse auf Präsident John F. Kennedy – oder an das Attentat, das 1981 beinahe Präsident Ronald Reagan das Leben gekostet hätte.
Aber diese Gewalt hat eine neue Qualität angenommen. Im Juni wurden im Bundesstaat Minnesota eine demokratische Politikerin und ihr Mann in ihrem Zuhause erschossen, ein Parteikollege und dessen Frau wurden vom gleichen Täter verletzt. Oder man denke an den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, an die Schüsse, die 2017 republikanische Abgeordnete teils schwer verletzten, als sie Baseball spielten – und natürlich an den Attentatsversuch, der im letzten Sommer um ein Haar Donald Trump das Leben gekostet hätte. Dazu passt, dass Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker seit 2017, als Donald Trump zum ersten Mal im Amt war, drastisch zugenommen haben: Die zuständige Polizeibehörde untersuchte im letzten Jahr beinahe 9500 Drohungen gegen Kongressabgeordnete.
Trump hat Eskalation mit vorangetrieben
Das ist ein Ausdruck der politischen Spaltung. Demokraten und Republikaner sehen sich nicht mehr als politische Gegner mit unterschiedlichen Ansichten: Man sieht das Gegenüber als existenzbedrohende Gefahr. Präsident Trump sei ein Autokrat, ja ein Faschist, heisst es von Demokraten. Jahrelang hätten radikale Linke «wundervolle Amerikaner» wie Charlie Kirk mit den Nazis verglichen, so Trump in einer Videobotschaft. Diese Rhetorik sei direkt verantwortlich für den «Terrorismus» im Land. Trump zählte Gewalttaten gegen Republikaner auf. Jene gegen Demokraten liess er aus. Ebenso seine eigene Rolle: Trump hat die Eskalation massgeblich vorangetrieben, in dem er die Beschimpfung politischer Gegner auf eine ganz neue Ebene hob.
US-Nachrichtensender berichten geschockt über Charlie Kirks Tod. Politiker fordern dazu auf, die Temperatur in der US-Politik zu senken. Solche Appelle blieben nach dem Attentat auf Trump wirkungslos. Und sie dürften wieder wirkungslos bleiben. Mit Charlie Kirk ist ein sehr prominenter, rechtskonservativer Aktivist getötet worden. Das ist Gift für das ohnehin grottenschlechte politische Klima.