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Corona-Impfungen in Afrika In der Pandemie ist sich jeder selbst der Nächste

Die Ungleichheit ist gross: In Europa ist die Mehrheit aller Erwachsenen vollständig geimpft. In Afrika beträgt die Impfrate 1.5 Prozent.

Was tun? Der Westen windet sich und sagt:

  • Man kann nicht einfach das Rezept für den Impfstoff den Afrikanern geben, es fehlt an Erfahrung und Produktionsmöglichkeiten.
  • In Afrika ist die Logistik ungenügend, um die Menschen zu impfen.
  • Die Afrikaner sind sowieso Impfskeptiker.

An all dem mag etwas dran sein, aber das Grundproblem ist: Es gibt nicht genügend Impfungen in Afrika. Das weiss der Westen, das wissen die grossen Impfhersteller.

Die Ungleichheit ist frappant. Die beiden grössten Impfstoffhersteller Pfizer und Moderna werden mit ihren Vakzinen in diesem Jahr 52 Milliarden Dollar umsetzen. Das ist mehr als das Bruttoinlandprodukt (BIP) von Kamerun oder von Uganda oder Sudan oder Senegal. Und es ist mehr als das BIP der 17 kleinsten Länder Afrikas zusammengezählt.

In Afrika spricht man von «Impf-Apartheid»

Derweil horten die westlichen Länder Impfdosen – sie haben viel zu viel bestellt. Alleine mit den Impfstoffreserven von Kanada könnte man sämtliche Einwohner dieser 17 kleinsten Länder Afrikas gleich vier Mal impfen.

Auch die Covax-Initiative, welche den Impfstoff weltweit gerecht verteilen sollte, konnte bisher nur einen Bruchteil der versprochenen Impfdosen liefern. Das ist die Folge des Impfnationalismus; in Afrika spricht man auch von «Impf-Apartheid».

Die Ungleichheit ist stossend. Auf dem afrikanischen Kontinent ist noch nicht einmal das Gesundheitspersonal durchgeimpft. Derweil kreiert die Pharmaindustrie bereits die dritte Impfung als Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 – und reiche Staaten wie die Schweiz planen damit.

Immerhin treffen nun vermehrt Spenden ein. Impfdosen aus den USA etwa werden mit viel Brimborium auf den Flughäfen in Afrika empfangen. Das hilft, doch es löst das Problem nicht.

Spenden zementieren Status quo

Denn die Ungleichheit ist strukturell. Wie auch in anderen Krisen spenden westliche Staaten und Organisationen lieber Medikamente von eigenen Herstellern, statt die lokale afrikanische Produktion anzustossen. Das hilft kurzfristig, doch es zementiert den Status quo – die Abhängigkeit Afrikas.

Und auch für die afrikanischen Staaten ist es bequemer, im Notfall den Geldgeber anzurufen, statt langfristig selbst Produktionskapazität aufzubauen und zu erhalten. Immerhin plant die Afrikanische Union nun Zentren zur Impfstoffherstellung. 

Die Pandemie hätte ein Weckruf sein können, ja sein müssen, um globale Abhängigkeiten und Ungleichheiten anzugehen. Doch in der Krise ist sich jeder selbst der Nächste.

Samuel Burri

Afrika-Korrespondent

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Samuel Burri berichtet seit 2017 für SRF über das Geschehen in Afrika. Er lebt in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Der studierte Historiker war vor seinem Engagement bei SRF als freier Journalist in Ghana und Westafrika tätig.

Echo der Zeit, 28.07.2021, 18:00 Uhr

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