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Corona in China Wenn im Lockdown die Erde bebt

In den Wohnungen bleiben und warten, bis das Erdbeben vorüber ist: Die Covid-Strategie Chinas wird heftig kritisiert.

Wenn die Erde im Lockdown bebt: Die südchinesische Stadt Chengdu in der Region Sichuan – seit vergangenem Donnerstag im Lockdown – ist am Montag von einem Erdbeben der Stärke 6.8 heimgesucht worden. Die Zahl der Toten infolge des Erdbebens ist mittlerweile auf 82 gestiegen. Mehr als 270 Menschen wurden verletzt, davon 62 schwer, wie Staatsmedien am Donnerstag berichteten.

Die Provinz liegt am Rand der Überschneidungszone der indischen und der eurasischen Kontinentalplatte. Deshalb gibt es dort häufig Erdbeben. Besonders betroffen waren in der Provinz Sichuan der Kreis Luding, in der vor allem von Tibetern bewohnten Präfektur Ganzi und der Kreis Shimian nahe der Stadt Ya'an.

Paramilitärische Polizeibeamte sind nach dem Erdbeben auf dem Weg zu Such- und Rettungsmassnahmen im Bezirk Shimian
Legende: Paramilitärische Polizeibeamte sind nach dem Erdbeben auf dem Weg zu Such- und Rettungsmassnahmen im Bezirk Shimian. (6. September) Reuters/Provided by a Third Party

Seit dem Erdbeben läuft eine grossangelegte Such- und Bergungsaktion mit Tausenden von Helfern. Auch das Militär wurde mobilisiert. Tausende Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Es kam zudem zu Erdrutschen, die Strassen blockierten.

Chengdu und Shenzhen werden durchgetestet : Beide Megastädte in China haben rund 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und wurden wieder abgesperrt. Die Leute werden mehrfach auf das Coronavirus getestet. In Gebieten, in denen Fälle auftauchen, dürfen die Menschen ihre Wohnungen und Häuser nicht verlassen.

Eine lange Schlange von Menschen wartet in Chengdu, um sich testen zu lassen.
Legende: Wieder wird eine Megacity durchgetestet: In Chengdu leben rund 20 Millionen Menschen. KEYSTONE AP CHINATOPIX

Nach offiziellen Angaben wurden in ganz China zuletzt mehr als 1600 Neuinfektionen binnen 24 Stunden registriert. Verglichen mit dem Rest der Welt seien dies niedrige Zahlen, so Stimmen in der Presse.

Kritik an Regeln: In den sozialen Medien werde die Regel, auch während einem Erdbeben in den Wohnungen bleiben zu müssen, sehr zynisch kommentiert, sagt Fabian Kretschmer, freier Journalist in China. Junge Menschen fänden es absurd, dass man während eines Erdbebens in einer Wohnung eingesperrt sein soll. «Es handelt sich ja nicht um Corona-Infizierte, sondern es werden Zehntausende eingesperrt, wegen eines einzigen Falles.» Dabei zeige sich die «Unmenschlichkeit des Systems», wie sich der Journalist ausdrückt.

Chengdus Gesundheitsbehörde reagiert: In einer Stellungnahme stellt die Gesundheitskommission von Chengdu klar, dass der Schutz der Menschen vor dem Erdbeben natürlich vorgehe. Diese Stellungnahme sei allerdings viel zu spät gekommen, sagt der Journalist - und «sie übersieht, dass es sich nicht um individuelle Fehler handelt, sondern dass dies von der Null-Covid-Strategie des Staates so vorgesehen ist». Man habe schon vorher feststellen können, dass Menschen in China überproportional unter den Corona-Massnahmen leiden würden.

Hitzewelle im Sommer

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Die Stadt Chengdu ist nicht nur von Lockdown und Erdbeben betroffen. Im Sommer erlebte sie eine Hitzewelle, wie seit mindestens 60 Jahren nicht mehr, und die machte den Leuten das Leben schwer. Sie führte auch zu Stromausfällen. Das habe auch die Wirtschaft getroffen, so der Journalist. Die Gesamtkonjunktur in China leidet ebenfalls unter einem unerwarteten Dämpfer.

SRF 4 News, 07.09.2022, 06:50 Uhr ; 

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