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Corona-Politik in Brasilien Trotz 1200 Seiten Vorwürfen: Bolsonaro hat wenig zu befürchten

Brasilien gehört zu jenen Ländern, die am heftigsten vom Coronavirus betroffen sind. Bis jetzt sind 600'000 Menschen an der Krankheit gestorben.

Zu reden gibt seit Ausbruch der Pandemie das Verhalten von Präsident Jair Bolsonaro. Erst leugnete er die Krankheit, dann machte er Werbung für unwirksame Medikamente wie Wurmmittel zur Bekämpfung von Covid-19. Und selbst eine eigene Corona-Erkrankung liess ihn nicht an den Nutzen von Impfungen glauben. Regelmässig bezweifelt er den Nutzen der Impfstoffe.

Senatsausschuss wirft Bolsonaro neun Verbrechen vor

Das alles blieb in der brasilianischen Politik nicht ohne Folgen. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments macht Jair Bolsonaro nun für teilweise schwere Straftaten verantwortlich und hat jetzt einen Bericht abgesegnet, der verlangt, dass gegen den Präsidenten Anklage erhoben wird.

Neun Verbrechen wirft der Senatsausschuss Bolsonaro wegen dessen verfehlter Corona-Politik im Abschlussbericht vor. Darunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Korruption bei der Impfstoffbeschaffung oder Verstoss gegen die Gesundheitsvorsorge mit beispielsweise fehlendem Sauerstoff in Manaus.

Generalstaatsanwalt ist enger Verbündeter

Die Vorwürfe sind heftig und haben es in sich, aber das hat erst einmal keinerlei juristische Konsequenzen für den Präsidenten. Letztlich ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob es handfeste, justiziable Beweise für die aufgeführten Verbrechen gibt.

Und da hat Bolsonaro einen starken Trumpf in der Hand: Der zuständige Generalsstaatsanwalt Augusto Aras ist sein Verbündeter, er wurde 2019 von Bolsonaro ins Amt berufen und hat ihn seitdem immer beschützt.

Zudem will der Generalstaatsanwalt in den Obersten Gerichtshof berufen werden, auch diese Ernennung erfolgt durch Bolsonaro, und das erhöht natürlich seine Treue zum Präsidenten. Von daher ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft den Abschlussbericht in der Schublade verschwinden lassen wird.

Ausschuss peilt politischen Schaden an

Der Untersuchungsausschuss im Senat weiss das natürlich. Die Mitglieder setzen darum darauf, Bolsonaro wenigstens politisch zu schaden. Die Schlussfolgerungen des Berichts belasten Bolsonaro jetzt im Wahlkampf. In einem Jahr sind Präsidentschaftswahlen.

Denn wenn Bolsonaro vom Untersuchungsausschuss angeklagt wird, die Pandemie nicht verantwortungsvoll gehandhabt zu haben und damit den Tod von Hunderttausenden von Menschen in Kauf genommen zu haben, dann ist das ein handfestes Argument für Betroffene und Angehörige der Toten, ihn nicht zu wählen.

Imageverlust wiegt schwer

Die schwerwiegendste Folge des Berichts ist darum der Imageverlust: Der politische Schaden ist gross, in der Bevölkerung schmilzt der Rückhalt für Bolsonaro, und viele hören auch nicht mehr auf den Präsidenten.

Bolsonaro zweifelt die Coronaimpfung öffentlich an. Trotzdem sind über 55 Prozent der Bevölkerung komplett gegen Corona geimpft.

David Karasek

Journalist und Südamerika-Kenner, SRF

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David Karasek war 2021 und bis Juli 2022 Südamerika-Korrespondent von SRF. Davor war er als Produzent und Redaktor bei SRF 4 News tätig. Von 2015 bis 2018 lebte und arbeitete er bereits als freier Journalist in Kolumbien und berichtete aus Ländern wie Ecuador, Venezuela oder Kuba für mehrere Medienunternehmen. Er hat in Bogotá an der Universität Javeriana Politologie studiert und moderiert inzwischen das «Tagesgespräch» von Radio SRF.

Rendez-vous, 27.10.2021, 12:30 Uhr

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