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Das Leid in Gaza Ein Leben im Krieg: Betroffene erzählen von ihrem Schicksal

Zerstörte Städte, vertriebene Menschen und tausende Todesopfer. Seit Monaten wird über die Tragödie und die Menschen im Gazastreifen berichtet. Doch selten kommen die Betroffenen selber zu Wort. Wir lassen vier Menschen von ihrem Schicksal erzählen.

«Wir hatten ein normales Leben»

In den Strassen von Rafah verkauft die 12-jährige Malak Al Deirbi Chips, um mit dem Geld Medikamente für ihre Mutter und ihren Bruder zu finanzieren. Vor dem Krieg war sie ein ganz normales Kind – jetzt sei alles anders: «Wir hatten ein normales Leben, wir waren nicht erschöpft. Unser Vater brachte uns, was wir brauchten. Wir spielten, gingen zur Schule, lernten und hatten Spass, nicht so wie jetzt. Unsere Tage haben sich in Krieg verwandelt.» Während Malak Al Deirbi ihre selbstgemachten Chips verkauft, geht ihr Bruder auf die Suche nach Wasser und steht dafür stundenlang in Schlangen an. Es ist ein täglicher Kampf um Nahrung. Oft bleibe der Familie am Abend nicht mehr als ein paar Lebensmittelkonserven.

«Ich musste die Hunde mit dem Handtuch schlagen, damit sie uns nicht fressen»

In Deir Al Balah, im Zentrum des Gazastreifens, liegt Iman Abu Maghsib auf einem Bett im Korridor des Al-Aqsa-Spitals. Sie hat einen Bombenangriff überlebt und macht sich grosse Sorgen um ihre Liebsten. «Ich wurde unter den Trümmern hervorgezogen und von meinen beiden Töchtern getrennt», erzählt sie. «Bis jetzt kenne ich das Schicksal meiner Töchter nicht. Und meine Söhne sind noch nicht beerdigt worden.» Bevor sie ins Spital gebracht wurde, lag sie verwundet auf einem Eselskarren neben ihrem Mann, der an einer Kopfverletzung litt. «Ich musste die Hunde mit dem Handtuch schlagen, damit sie uns nicht fressen», erzählt die Palästinenserin.

Eine Frau liegt verletzt auf einem Bett in einem Gang.
Legende: Iman Abu Maghsib liegt nach einem israelischen Angriff im Al-Aqsa-Spital und macht sich Sorgen um ihre verschwundenen Töchter. (Bild: 8. März 2024) AP

«Als ich zurückkam, fand ich ein zerstörtes Gebäude vor»

Abdel Rahman Mohamad Joumaa kniet vor der Leichenhalle des Al-Najjar-Spitals in Rafah. Vor ihm liegen mehrere Leichen eingehüllt in weisse Tücher. In seinem Armen hält er seine verstorbene Tochter. Der junge Mann hat seine Familie bei israelischen Bombenangriffen verloren. «Meine Frau und meine Tochter waren zu Besuch bei meinen Schwiegereltern. Ich war zwei Stunden bei ihnen, habe mit meiner Tochter gespielt und sie gefüttert. Nach einer Stunde bin ich gegangen – bald darauf hörte ich das Geräusch von Bomben.»

Aus den Nachrichten erfuhr Abdel Rahman Mohamad Joumaa, dass die Bomben auf das Gebiet der Al-Nour-Moschee abgefeuert worden waren. Als er zurückkam, fand er ein völlig zerstörtes Gebäude vor. «Wir begannen zu suchen und ich fand die Überreste meiner Frau auf der Strasse. Dann sah ich einen Mann, der ein Mädchen trug. Ich rannte auf ihn zu, sagte ihm, dass dieses Mädchen meine Tochter ist und hob sie auf. Da realisierte ich, dass sie wirklich meine Tochter war.»

Ein Mann hält eine zugedeckte Leiche in den Armen.
Legende: Abdel Rahman Mohamad Joumaa trauert vor dem Al-Najjar-Spital in Rafah um seine verstorbene Tochter. (Bild: 21. Februar 2024) AFP

«Wir arbeiten rund um die Uhr. Wir können nicht nach Hause gehen»

Ein Augenschein vor Ort im Al-Schifa-Spital. Dieses ist zurzeit stark in den Medien präsent, weil israelische Soldaten dort Hamas-Terroristen angreifen. Trotzdem ist das Spital noch teilweise in Betrieb. In einer Halle hält ein Junge einen Beutel mit Infusion über seinen Vater, der auf einer Bahre am Boden liegt. Weiter hinten behandeln Ärzte einen stark bandagierten Mann. Einer von ihnen ist Mohamed Al Sheikh. Der junge Arzt arbeitet Tag und Nacht im Al-Schifa-Spital. «Wir arbeiten rund um die Uhr. Wir können nicht nach Hause gehen. Wir sind von unseren Familien abgekoppelt. Alle Freiwilligen und das medizinische Personal sind in einem Raum untergebracht. Was das Essen angeht, so sind nur wenige Dinge verfügbar. Wir geben, was wir können.»

Es sind tragische Geschichten, die der junge Arzt tagtäglich mitbekommt. Mohamed Al Sheikh erzählt von einem dreijährigen Jungen, der bei einem Angriff sein Bein verlor. Die Familie suchte während eines Angriffs Schutz. Doch sein Bruder und ein Cousin kamen ums Leben, mehrere Familienmitglieder wurden verletzt. Seine Mutter plädiert nun für eine Prothese für ihren Sohn. Wie viele Menschen im Gazastreifen hofft sie auf einen baldigen Waffenstillstand – und dass das Leiden aufhört.

Audio
Archiv: Einblick in das Leben einer Familie in Nord-Gaza
aus SRF 4 News vom 27.03.2024. Bild: Keystone-SDA
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 11 Sekunden.

SRF 4 News, 27.03.2024, 6:20 Uhr

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