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Das «schleichende Gift» Antisemitische Taten erschüttern Frankreich

Hakenkreuze, Grabschändungen, Übergriffe: Die grösste jüdische Gemeinde Europas fühlt sich zunehmend bedroht.

«Der Antisemitismus breitet sich aus wie ein Gift»: Mit diesen Worten versuchte Christophe Castaner am Montagabend seine Landsleute aufzurütteln. Der französische Innenminister sprach anlässlich einer Gedenkzeremonie für Ilan Halimi. Der junge Jude war 2006 von einer Jugendbande entführt und zu Tode gefoltert worden.

Am Wochenende wurde die Gedenkstätte, die an den barbarischen Mord erinnert, von Unbekannten geschändet. «Ein besonders schockierender Vorfall», sagt SRF-Mitarbeiter Rudolf Balmer in Paris. Aber lange nicht der einzige: Nach Regierungsangaben hat sich die Zahl antisemitischer Akte im letzten Jahr um 74 Prozent erhöht.

Rudolf Balmer

Freier Journalist

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Der Journalist Rudolf Balmer berichtet für deutschsprachige Medien aus Paris über französische Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Darunter auch für SRF.

Die Zahlen sind besorgniserregend. «Aber der Antisemitismus ist in Frankreich ein notorisches Thema», berichtet Balmer. Denn: Im Land mit der grössten jüdischen Gemeinschaft der Welt – nach Israel und den USA – grassiert der Antisemitismus seit Jahren. «Ein Indikator dafür ist die Zahl von rund 5000 französischen Juden, die jedes Jahr nach Israel auswandern», so der Frankreich-Experte.

Der Judenhass von rechts lebt weiter

Für weltweites Entsetzen sorgte im Januar 2015 der Anschlag auf einen jüdischen Supermarkt durch einen islamistischen Terroristen: Zwei Tage nach der Attacke auf die Satirezeitung «Charlie Hebdo» tötete ein Dschihadist vier Menschen. Weitere Gräueltaten gegenüber französischen Juden folgten.

Neben solchen schlagzeilenträchtigen Ereignissen gibt es in Frankreich aber auch den ganz alltäglichen Antisemitismus: Beschimpfungen, Übergriffe, Drohungen. Der Hass wird nicht nur von islamistischen Kreisen geschürt. «Es gibt in Frankreich einen fast schon historischen Antisemitismus, der vor allem in rechtsextremen Kreisen existiert», so Balmer.

Jean-Marie Le Pen in einer Archivaufnahme
Legende: Mit antisemitischen Ausfällen sorgte etwa der Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen regelmässig für Entsetzen. Reuters/Archiv

Die Behörden dokumentierten im letzten Jahr 541 antisemitische Akte in Frankreich. Traurige Beispiele liefert das vergangene Wochenende in Paris. Dort wurden Portraits der Holocaust-Überlebenden Simone Veil mit Hakenkreuzen überzeichnet; auf die Fassade einer jüdischen Backwaren-Kette wurde das Wort «Jude» auf Deutsch gesprüht – eine perfide Anlehnung an die Verfolgung der Juden in Nazi-Deutschland.

Fragwürdiger Verdacht gegen Gelbwesten

In seiner Rede setzte der französische Innenminister Castener den Anstieg antisemitischer Vorfälle nicht mit einer bestimmten Gruppe in Verbindung. Frédéric Potier, Antisemitismusbeauftragter der französischen Regierung, wartete allerdings mit einer brisanten These auf: Rechtsextreme hätten die Gelbwesten-Bewegung infiltriert.

Diese demonstrieren seit dem Herbst letzten Jahres gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron. Potier «untermauerte» seinen Verdacht mit einem Graffiti, das Unbekannte auf eine Mauer in Paris gesprüht hatten. Darauf wird Macron als «Hure der Juden» bezeichnet. «Wenn sich Hass auf Juden und Hass auf die Demokratie überlappen, prangt das Vokabular der Faschisten an den Wänden», kommentierte Potier das Graffiti.

Tatsächlich reisten zu den Kundgebungen der Gelbwesten teilweise auch Rechtsextreme an, so Balmer. Für Potiers Vermutung gebe es aber überhaupt keinen konkreten Hinweis. Und: «Man muss bedenken, dass die Regierung womöglich ein Interesse daran hat, die Gilets-Jaunes-Bewegung in Verruf zu bringen.»

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