Seit Donnerstag ist der französische Präsident Emmanuel Macron für einen insgesamt dreitägigen Auslandsbesuch in Algerien. Eine Reise, die nach den monatelangen Spannungen mit grossen Erwartungen seitens Algerien verbunden ist: Im Herbst 2021 hatte zunächst die Streichung von Einreisevisa für Algerier nach Frankreich für Aufregung gesorgt.
Als dann der französische Präsident kurze Zeit später die algerische Regierung angeklagt hatte, die Geschichte des Unabhängigkeitskriegs zu nutzen, um Hass gegen Frankreich zu schüren, reagierten die Algerier mit Rückruf des Botschafters aus Paris.
Nach diesen Verstimmungen soll nun wieder Eintracht herrschen. Der aktuelle Besuch sei daher, wie der Elysee-Palast betont, kein Staatsbesuch, sondern ein Freundschaftsbesuch auf Einladung des algerischen Präsidenten Abdelmajid Tebboune.
Macrons provokante Äusserungen hatten gerade im Hinblick auf die Kolonialvergangenheit für grossen Unmut in der algerischen Bevölkerung gesorgt. Erst im Juli feierte Algerien 60 Jahre Unabhängigkeit, der Krieg und noch immer ungeklärte französische Verbrechen während dieser Zeit bleiben eine tiefe Wunde im Gedächtnis der Algerier.
Gespannt warteten sie auf die Ansprache des französischen Präsidenten, die nach einem Tag des würdevollen und zurückhaltenden Gedenkens nach 21 Uhr erfolgte: «Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, sie ist komplex, und schmerzhaft. Sie hat uns oft geradezu daran gehindert, in die Zukunft zu schauen», erklärte der französische Präsident.
Untersuchungskommission angekündigt
Um diese Vergangenheit aufzuarbeiten, soll eine Untersuchungskommission aus algerischen und französischen Historikern ins Leben gerufen werden. Ohne Tabu solle die Zeit bis nach dem Unabhängigkeitskrieg genau untersucht werden, und damit auch ungeklärte französische Verbrechen. «Wir haben uns die Vergangenheit nicht ausgesucht», erklärte Macron weiter. «Wir haben sie geerbt. Das ist ein Gesamtbild, das wir ansehen und anerkennen müssen. Aber wir haben die Verantwortung, die Zukunft zu gestalten – für uns selbst und für die Jugend.»
Konkrete Unterstützung für die Jugend versprach der französische Präsident in Form der gemeinsamen Entwicklung von Start-ups und Kooperationen im Filmbereich. Die gestrigen Ankündigungen wurden mit Wohlwollen vom algerischen Präsidenten aufgenommen.
Verhandlungen für algerisches Gas
Und mit der ausgestreckten Hand macht Emmanuel Macron auch den Weg frei für Verhandlungen für zusätzliche Gaslieferungen für Europa. Das nordafrikanische Land deckt derzeit als Erdgaslieferant gut zehn Prozent des gesamten europäischen Energiebedarfs.
Durch die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs wuchs das Interesse am algerischen Gas: Italien war am schnellsten, und hat sich bereits im Juli zusätzliche Gaslieferungen gesichert. Frankreich selbst habe bereits 90 Prozent seines Gasvorrats aufgefüllt, kommentierte Macron, und sei nicht auf das algerische Gas angewiesen. Doch Macron ist auch als Repräsentant Europas in Algerien – und könnte für Europa eventuell zusätzliche Gaslieferungen ankurbeln.