Die junge Partei Sanseito pflügt die japanische Politik gerade von Rechtsaussen auf. Begriffe wie historische oder seismische Verschiebungen fallen.
Schweiz als Vorbild
Der Kopf hinter Sanseito heisst Sohei Kamiya. In seinem Parlamentsbüro empfängt der charismatische Politiker mit Strubel Frisur SRF News und sagt, er freue sich, mit uns zu sprechen: «Von der Schweiz habe ich eine Menge gelernt in Sachen Landesverteidigung.»
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Bild 1 von 2. Sohei Kamiya bei einer Kundgebung seiner Partei in Tokio am 21. Juli 2025, einen Tag nach den Oberhauswahlen. Bildquelle: REUTERS / Kim Kyung-Hoon.
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Bild 2 von 2. Sohei Kamiyas Inspiration: Das Zivilverteidigungsbuch, welches der Bundesrat 1969 in der Schweiz verteilte. Bildquelle: SRF / Samuel Emch.
Er springt auf und holt ein rotes Buch mit Schweizerkreuz. Das «Zivilverteidigungsbuch», welches der Bundesrat 1969 an die Bevölkerung verteilt hat. In der Schweiz gilt das Werk als Zeitzeugnis für die Politik im Kalten Krieg, als Vorbereitung auf einen möglichen atomaren Angriff. Kamiya aber nimmt es als Vorlage für seine Sicherheitspolitik. Und eckt an.
Atombomben und Ausländer
Zum Beispiel, wenn er fordert, über Atombomben für Japan nachzudenken. Das ist hoch umstritten im einzigen Land, das je mit solchen Waffen angegriffen wurde.
Sanseito ähnelt am ehesten den italienischen Fratelli d’Italia, den Schweden Demokraten oder der Schweizerischen Volkspartei.
Besonders kritisiert wird Kamiya für ausländerfeindlichen Äusserungen. Er interveniert und sagt er habe nichts gegen Ausländer, aber «meine grösste Sorge ist, dass die japanische Kultur und Bräuche untergehen werden.»
So wettert Kamiya gegen Immigranten, unterstellt ihnen eine höhere Kriminalität und ein Ausnutzen der Sozialsysteme – auch wenn die Statistiken dies nicht belegen.
Den sozialen Medien entwachsen
Ihren politischen Aufstieg verdankten Kamiya und Sanseito vor allem den sozialen Medien. Das sagt die emeritierte Politologie Professorin Kumiko Haba. «Sie nutzten Instagram und TikTok geschickt und erreichten damit die Massen.» So habe Sanseito etablierte Parteien bei den Wahlen überholt.
Der gekonnte Einsatz von Kurzvideos kommt nicht von ungefähr. Sohei Kamiya startete seine Politkarriere mit einem YouTube Kanal. Aufgefallen ist dieser während der Corona-Pandemie mit Verschwörungserzählungen. Daraus ist Sanseito gewachsen.
Schwarze Schäfchen
Haba macht einen Vergleich: «Sie ähnelt am ehesten den italienischen Fratelli d’Italia, den Schweden Demokraten oder der Schweizerischen Volkspartei.»
Die Politologin erinnert an das Schäfchenplakat der SVP, wo ein weisses ein schwarzes Schäfchen aus dem Land wirft. «Darin spiegelt sich die Angst, dass Migranten den Lebensstandard und die Sozialwerke gefährden.» So sei das auch bei Sanseito.
Profiteur des Versagens
Diese Politik sei gefährlich, sagen Kritiker wie Yoshihisa, einst Justizminister, heute Parlamentarier der Regierungspartei LDP. Kamyias Partei mache mit einfachen, unrealistischen Lösungen wie einer Abschaffung der Mehrwertsteuer Wahlkampf.
Erfolg hätten sie damit, weil seine eigene Partei, welche seit 70 Jahren fast ununterbrochen die Regierung stellt, versagt habe.
Politlandschaft ändert
Sohei Kamiya lächelt die Vorwürfe weg. «Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist unserer Meinung nach darauf zurückzuführen, dass die Politik in der Vergangenheit sich weigerte, auch nur zu versuchen, Lösungen zu finden.»
Ob seine Lösungen indes den Inselstaat vorwärtsbringen, bleibt umstritten. Das Politestablishment in Japan hat er aber auf jeden Fall in Bewegung gebracht.