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Der Papst und die Weltpolitik Experte: «Neuer Papst könnte Friedenslösungen Schub verleihen»

Der Papst ist nicht nur das Oberhaupt von über einer Milliarde Katholiken, er trifft und empfängt auch die mächtigsten Figuren der Weltpolitik. Der Kirchenhistoriker Jörg Ernesti erklärt, wie gross der Einfluss des Papstes auf der geopolitischen Bühne tatsächlich ist und welche Akzente der neue Pontifex setzen könnte.

Jörg Ernesti

Kirchenhistoriker

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Jörg Ernesti ist Kirchenhistoriker an der Universität Augsburg. Er hat ein Standardwerk zur vatikanischen Aussenpolitik geschrieben: «Friedensmacht – Die vatikanische Aussenpolitik seit 1870».

 SRF News: Welche politische Relevanz hat das Papsttum heute noch?

Jörg Ernesti: Die Stellung des Papstes in der Weltpolitik scheint nach wie vor unbestritten. Da der Papst nunmehr einen Miniaturstaat hat, kann er sich als überparteilicher und neutraler Akteur positionieren. Er unterhält diplomatische Beziehungen zu über 180 Staaten und hat Beobachterstatus bei der EU und den Vereinten Nationen. Kommt dazu: Der Papst ist ständig auf Reisen – und das in der ganzen Welt. Er besucht dabei nicht nur die örtlichen Kirchen, sondern jeweils auch die jeweiligen Staatsoberhäupter. Dies ermöglicht ihm, als Vermittler in internationalen Konflikten aufzutreten.

Ohne Johannes Paul II. wäre der Fall der Berliner Mauer so wohl nicht denkbar gewesen.

Zum Beispiel?

Papst Leo XIII. vermittelte beispielsweise im Jahr 1885 erfolgreich zwischen Spanien und dem Deutschen Reich im Streit um die Karolinen-Inseln im Pazifik. Aber es gibt auch Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Ohne Johannes Paul II. wäre der Fall der Berliner Mauer und die Beendigung des Ost-West-Konfliktes so wohl nicht denkbar gewesen. Und auch bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Kuba und den USA spielte der Heilige Stuhl eine wichtige Rolle. Franziskus trieb den Annäherungsprozess entscheidend voran.

 Papst Franziskus spricht 2015 bei der UNO in New York.
Legende: Vor der Weltgemeinschaft: Papst Franziskus spricht 2015 bei der UNO in New York. REUTERS/Mike Segar/Archiv

Kam die Friedensdiplomatie des Heiligen Stuhls bisweilen auch an ihre Grenzen?

Im Ersten Weltkrieg gelang es Benedikt XV. beispielsweise nicht, mit seiner Friedensnote auf die Kriegsparteien Einfluss zu nehmen. Ähnlich erging es Johannes Paul II., der 2003 den drohenden Irak-Krieg abwenden wollte. Doch niemand hörte auf seinen Appell. Franziskus seinerseits rief im letzten Jahr mit Äusserungen zum Ukraine-Krieg heftige Kritik hervor. Die Ukraine müsse den Mut haben, die «weisse Fahne» zu hissen und zu verhandeln, so seine Aussage. Der Vatikan betrieb danach Schadensbegrenzung und versuchte, die Formulierung einzuordnen.

Es ist gut möglich, dass der Nachfolger von Franziskus ganz andere Schwerpunkte setzt.

Unter Papst Franziskus war der Heilige Stuhl aussenpolitisch sehr aktiv. Könnte sich dies mit einem neuen Papst ändern?

Das Pendel hat in der Geschichte nach einem eher politischen Pontifikat oft in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen, sodass danach pastorale und innerkirchliche Fragen in den Vordergrund traten. Es ist also gut möglich, dass der Nachfolger von Franziskus ganz andere Schwerpunkte setzt und die Aussenpolitik weniger wichtig wird. Es ist aber auch möglich, dass ein neuer Papst Friedenslösungen neuen Schub verleihen kann. Ein Pontifex aus Afrika hätte sicherlich mehr Einfluss, wenn es um die Konflikte im Kongo oder im Sudan geht. Oder um ein konkretes Beispiel zu nennen: Der Kardinal Pierbattista Pizzaballa ist lateinischer Patriarch von Jerusalem und kennt den Nahen Osten sehr gut. Dies wäre im Hinblick auf eine mögliche Vermittlung ideal.

Das Gespräch führte Christoph Leisibach.

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10vor10, 7.5.25, 21:50 Uhr ; 

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