Die Medien in Italien publizieren täglich Namen des möglichen zukünftigen Papstes. Wer hat gerade Aufwind und wer ist im Rennen angeblich zurückgefallen? Wie viel lässt sich heute tatsächlich schon sagen? Wer hat die besten Chancen?
Giovanna Chirri ist Vatikan-Expertin der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Sie geht davon aus, dass sich die Kardinäle kommende Woche voraussichtlich für Kontinuität entscheiden. Die Mehrheit der Kardinäle wolle keine Abkehr von Papst Franziskus’ Kurs der moderaten Öffnung. Sie wollten an dem stärkeren Einbezug von Frauen, von Geschiedenen oder etwa von Homosexuellen festhalten.
Die Debatte am Konklave wird wohl anders verlaufen.
Zwar mache der ultrakonservative Flügel derzeit besonders aggressiv Stimmung gegen die Reformen des verstorbenen Papstes Franziskus. Doch Chirri vermutet, dass diese Kampagne vor allem virtuell, in den sozialen Medien, stattfinde.
«Die Debatte am Konklave wird wohl anders verlaufen», sagt Chirri. Sie hat vor 12 Jahren als erste über den Amtsverzicht von Papst Benedikt berichtet. Denn das Rücktrittsschreiben Benedikts war in lateinischer Sprache verfasst, und sie konnte es mit ihrem sattelfesten Latein am schnellsten übersetzen.
Die römisch-katholische Kirche steht vor dem dramatischsten Konklave der letzten 50 Jahre!
Marco Politi ist ein ebenso erfahrener Kenner des Vatikans. Er sagt: «Die römisch-katholische Kirche steht vor dem dramatischsten Konklave der letzten 50 Jahre!» Dramatisch, weil sich Konservative und eher Progressive in den letzten Jahren regelrecht befeindet hätten. Auch Politi nennt die sozialen Medien als Ort des mitunter heftigen Kampfs dieser beiden Lager. Er spricht von einem schweren Zerwürfnis und «viele Kardinäle suchen nun jemanden, der diese Scherben wieder zusammensetzen kann.»
Favorit Pietro Parolin?
Italiens Medien trauen diese Rolle vor allem dem vatikanischen Staatssekretär, dem Italiener Pietro Parolin, zu. Dazu sagen Chirri und Politi: Italiens Medien würden bei ihren Vorhersagen Italiener stets überbewerten. Und eine Integrationsfigur könne auch aus Afrika oder Asien stammen. Von Kontinenten, in denen die römisch-katholische Kirche wächst.
Diese Kardinäle könnten Papst Franziskus im Amt nachfolgen
-
Bild 1 von 11. Pietro Parolin. Der 70 Jahre alte Italiener aus der Nähe von Venedig ist seit mehr als einem Jahrzehnt die Nummer zwei im Vatikan. Franziskus erhob Pietro Parolin zum Kardinalstaatssekretär. Bildquelle: Keystone / EPA, ANGELO CARCONI.
-
Bild 2 von 11. Pierbattista Pizzaballa. Der Patriarch von Jerusalem leitet eine der schwierigsten Diözesen der Welt. Im Nahost-Konflikt sieht sich Pierbattista Pizzaballa als Brückenbauer. Er kommt aus der Ordensgemeinschaft der Franziskaner. Der aus dem Norden Italiens in der Nähe von Bergamo stammende 60-Jährige ist einer der jüngsten Kardinäle. Bildquelle: Keystone / EPA / ATEF SAFADI.
-
Bild 3 von 11. Matteo Maria Zuppi. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz Italiens ist der 69-jährige Matteo Maria Zuppi eine zentrale Figur im Vatikan. Der Erzbischof von Bologna ist sehr einflussreich. Als Sondergesandter des Papstes vermittelt er zwischen Russland und der Ukraine. Sein diplomatisches Geschick war jeweils gefragt, wenn sich der Papst zum Krieg äusserte. Bildquelle: Keystone / EPA, SERGEI ILNITSKY.
-
Bild 4 von 11. Péter Erdö. Der Primas von Ungarn, Erzbischof von Esztergom-Budapest gilt als konservativ. Der 72-Jährige ist für seine traditionelle Haltung in vielen Kirchenfragen bekannt und pflegte eine gute Beziehung zu Papst Benedikt XVI. Franziskus' Reformbemühungen sah Erdö eher kritisch. Unter konservativen Kardinälen würde eine Abkehr vom progressiven Kurs erwartet. Bildquelle: Keystone / EPA, ATTILA KOVACS.
-
Bild 5 von 11. Luis Antonio Tagle. Der frühere Erzbischof von Manila, Philippinen, lebt bereits einige Jahre in Rom. Der 67-Jährige wurde 2019 Kardinalpräfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Inzwischen ist er Pro-Präfekt des daraus hervorgegangenen Dikasteriums für die Evangelisierung – einer der wichtigsten Posten der Kurie. Bildquelle: imago images / ABACAPRESS.
-
Bild 6 von 11. Fridolin Ambongo Besungu. Sollte es je einen schwarzen Papst geben, fällt häufig der Name Fridolin Ambongo Besungu, Erzbischof von Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Der 65-Jährige gilt als konservativ und gehört zu den wichtigsten Kirchenvertretern Afrikas. Die Öffnung für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sieht er sehr kritisch. Bildquelle: REUTERS / Luc Gnago .
-
Bild 7 von 11. Jean-Marc Aveline. Der Erzbischof von Marseille stammt aus Algerien und wuchs in den Vororten der Hafenstadt auf. Heute ist er dort Erzbischof. Jean-Marc Aveline gilt als volksnah und hat laut Fachleuten in Auftreten und Politik viel mit dem verstorbenen Papst gemeinsam. Manche nennen ihn gar einen «Super-Bergoglianer», nach Bergoglio, wie der Papst bürgerlich hiess. Bildquelle: IMAGO / SOPA Images.
-
Bild 8 von 11. Jean-Claude Hollerich. Der Erzbischof von Luxemburg ist einer der einflussreichsten Männer im Vatikan. Der Jesuit sitzt in mehreren wichtigen Dekasterien. Zudem leitet der 66-Jährige die Kommission der Bischofskonferenzen aller EU-Staaten. Bei der Weltsynode war Hollerich «Generalrelator», also Vermittler bei Meinungsverschiedenheiten und damit in einer zentralen Rolle. Bildquelle: REUTERS / Stephanie Lecocq.
-
Bild 9 von 11. Angelo De Donatis. Angelo Kardinal De Donatis stammt aus der italienischen Provinz Lecce. Seit 2024 ist er Kardinalgrosspönitentiar. Die Apostolische Pönitentiarie zählt zu den drei obersten Gerichtshöfen der katholischen Kirche. Sie ist aber kein Kirchengericht, sondern eine Einrichtung für das Gnaden- und Ablasswesen. Bildquelle: Keystone / EPA, FABIO FRUSTACI.
-
Bild 10 von 11. Mario Grech. Seit 2020 ist Mario Grech Generalsekretär der Bischofssynode und hat damit eine Schlüsselposition inne. Er war Bischof von Gozo, der Nebeninsel von Malta, wo er aufgewachsen ist. Grech hat sich vom Konservativen zum Freund von Reformen gewandelt und wird als treuer Unterstützer der Reformen von Papst Franziskus gesehen. Bildquelle: IMAGO / ZUMA Press.
-
Bild 11 von 11. Víctor Manuel Fernández. Der aus Argentinien stammende Kurienkardinal Víctor Manuel Fernández ist seit 2023 Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Zudem ist er Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologischen Kommission. Zuvor war er von 2018 bis 2023 Erzbischof von La Plata. Bildquelle: Keystone / AP / Natacha Pisarenko.
Noch nie gab es so viele Kardinäle. Noch nie kamen sie aus so vielen Ländern. Das sei ein Vermächtnis von Papst Franziskus, der sie ernannt habe. Das sei aber auch ein Problem, konstatiert Journalist Politi: «Das Kollegium der Kardinäle funktioniert noch gar nicht richtig, weil sich die vielen Purpurträger untereinander gar noch nicht kennen.» Auch finden nun täglich Messen und auch Treffen der Kardinäle statt. Dieses sogenannte Vorkonklave ist die Bühne, auf der sich die «Papabili», die «papstfähigen» Kandidaten, präsentieren.
Die abwesenden Frauen
Grosse Abwesende sind die Frauen, sie sind bei keinem Treffen, nicht einmal beratend, dabei. Dabei habe Papst Franziskus sie erstmals an die Synoden und in vatikanische Spitzenämter berufen, sagt Politi. Bei der Totenfeier habe der zelebrierende Kardinal vieles gewürdigt, was Franziskus geleistet hat. «Aber die gestiegene Bedeutung der Frauen erwähnte er mit keinem Wort. Das wiegt schwer», meint Politi.
Gleiche Rechte für Frauen, konkret der Zugang zum Priesteramt: Das forderten unter den Katholikinnen und Katholiken in Europa viele. «In der Weltkirche ist das weiterhin verfrüht», sagt Giovanna Chirri. Und bei der Frage, ob jemals eine Frau das höchste Amt übernehmen könnte, ist die Journalistin noch pessimistischer: «Ich frage mich, ob es jemals einen weiblichen ‹Papa›, eine ‹Mamma›, geben wird.»