Franziska Giffey setzt zu einem grossen Sprung an, obwohl sie bereits viel mitbringt. Sanft die Stimme – bestimmt die Worte: «Es muss sein, dass der Staat respektiert wird, dass der Staat als konsequent gesehen wird. Wenn ich manchmal sehe, wie Leute, die sich strafbar machen, binnen kürzester Zeit wieder draussen sind – dann ist etwas schief. Das ist etwas, dass aus meiner Sicht nicht sein darf.»
Solche Voten hört man selten bei der SPD. Aber die 39-Jährige hat auch eine der anspruchsvollsten Stellen, die Deutschland auf Gemeindeebene zu vergeben hat: Sie ist Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln. Der Bezirk beheimatet 150 Nationalitäten, viele Sozialfälle, viele mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund.
Integration ist in Neukölln nicht erst seit der Flüchtlingswelle ein Dauerthema. Denn mit den einstigen Gastarbeitern ist einiges schiefgelaufen. «Viele sind geblieben und haben sich über die Jahre eben nicht integriert. Da sind Parallelgesellschaften entstanden – und das ist heute hochproblematisch», so die designierte Bundesfamilienministerin.
Jeder, der in dieses Land kommt und hier lebt, sollte in die Lage gesetzt werden, einen Beitrag für dieses Land zu leisten.
Giffey leitet diesen berühmten sozialen Brennpunkt. Sie nennt die Probleme beim Namen und sieht den Schlüssel für ein friedliches, demokratisches Miteinander im massiven Ausbau der Bildung der vielen Unterprivilegierten.
«Jeder, der in dieses Land kommt und hier lebt, sollte in die Lage gesetzt werden, einen Beitrag für dieses Land zu leisten. Ansonsten gibt es immer eine Neid- und eine Verteilungsdebatte. Was bekommen die? Was bekommen wir? Bekommen die mehr? Was bleibt für uns übrig? Es ist immer eine Frage der Gerechtigkeit und der Sicherheit.»
Diese Neiddebatte im Zusammenhang mit der Zuwanderung hat die SPD – zum Beispiel im Ruhrgebiet, ihrer traditionsreichsten Region – als Rassismus abgetan, anstatt sie ernst zu nehmen. Das hat die Partei viele Stimmen gekostet, die zur rechten AfD gewechselt sind.
«Wir müssen die problematischen Dinge benennen, damit wir sie angehen können. Das ist für mich ein wichtiges Anliegen», so Giffey. Mit dieser Haltung könnte sie in der neuen Bundesregierung zu einer wichtigen sozialdemokratischen Stimme werden.