Armin Laschet soll der Union, also CDU/CSU, im September zum Erfolg verhelfen und Nachfolger von Angela Merkel als neuer deutscher Bundeskanzler werden. Wie tickt der 60-Jährige? Wo drückt Deutschland der Schuh, etwas weniger als 3 Monate vor der Wahl? SRF hat Laschet zum grossen Interview getroffen.
SRF News: Bundeskanzler Armin Laschet – wie klingt das für Sie?
Armin Laschet: Ungewohnt. Jetzt sind wir erst mal im Wettbewerb. Und dann sehen wir weiter.
Was würde ein Kanzler Armin Laschet für Deutschland bedeuten?
Nach 16 Jahren Angela Merkel beginnt ein neues Jahrzehnt, das ich zum Modernisierungsjahrzehnt machen will. Es gibt eine Menge Defizite, die wir nun in der Pandemie bemerkt haben. Wir haben erlebt, dass unsere Verwaltung nicht so digital ist, wie sie sein sollte. Dass Planungs- und Genehmigungsverfahren zu lange dauern, dass wir bei der digitalen Bildung besser werden müssen. Das sind ein paar der Themen, die wir unmittelbar zusammen mit den Bundesländern anpacken müssen.
Sie haben die Verwaltung angesprochen, die Digitalisierung, die Bildung – gleichzeitig versprechen Sie in ihrem Wahlprogramm, dass es keine neuen Steuern geben wird. Wie soll das bezahlt werden?
Wir haben vor der Pandemie die Erfahrung gemacht, dass wir keine Steuererhöhungen hatten und der Staat trotzdem jedes Jahr mehr Einnahmen verzeichnete. Jede Steuerschätzung im Frühjahr wurde am Ende des Jahres übertroffen, weil die Wirtschaft gewachsen ist.
Ich glaube, dass es durch technologischen Fortschritt funktionieren wird, die Wirtschaft klimaneutral umzubauen.
Sie glauben also, dass das Wirtschaftswachstum alleine genug Geld in die Kassen spült, um die nötigen Investitionen zu tätigen?
Ja, es hat in Nordrhein-Westfalen funktioniert (Laschet ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Red.). Auch in Deutschland hat es bis 2019 funktioniert, weil immer mehr Geld in die staatlichen Kassen kam. Und daran müssen wir nun anknüpfen.
In Deutschland gibt es einen riesigen Investitionsstau. Alleine in Schulen müssten 50 Milliarden Euro investiert werden, zum Beispiel in profane Dingen wie Klos und kaputte Dächer. Droht Deutschland den Anschluss zu verlieren?
Nein. Ich bin in Nordrhein-Westfalen all den Schulen nachgegangen, wo es angeblich kaputte Dächer gibt.
50 Milliarden fehlen aber.
Das sagen manche.
Das sagt die nationale Förderbank «Kreditanstalt für Wiederaufbau» KfW.
Das macht nicht der Bund, das machen die Bundesländer. Der Bund muss aber die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. In Deutschland läuft vieles zu bürokratisch und das Geld kommt am Ende nicht dort an, wo es gebraucht wird.
Stichwort Klimawandel: Ist es nicht eine Lüge, zu sagen, es gehe, ohne dass es weh tut?
Nein. Ich glaube, dass es durch technologischen Fortschritt funktionieren wird, die Wirtschaft klimaneutral umzubauen. Die Automobilindustrie ist im Moment dabei. VW baut 80 Modelle auf Elektroantrieb um. Damit ist der CO2-Ausstoss bei der Mobilität beseitigt, und die Autos werden von Jahr zu Jahr zudem noch günstiger.
Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Technischer Fortschritt bei der Effizienz wurde immer durch Mehrverbrauch zunichtegemacht.
Natürlich werden wir immer mehr Energie brauchen. Wenn wir mehr Strom brauchen, wenn wir alles elektrifizieren, wenn wir zum Beispiel von fossiler Energie auf Elektromobilität umsteigen. Deshalb ist das eine Riesenaufgabe, vor welcher wir stehen: Gleichzeitig aus Steinkohle und Braunkohle auszusteigen und keine Kernenergie mehr zu haben.
Dann muss man doch verzichten?
Worauf wollen Sie denn verzichten?
Sie werden doch wahrscheinlich Kanzler, sagen Sie es uns.
Sie haben so eine Verzichts-Sehnsucht.
Gar nicht. Es stellt sich nur die Frage, wie das funktionieren soll.
Warum Verzicht? Wenn ich ein Elektroauto habe, habe ich keinen Benziner mehr und bewege mich trotzdem von A nach B. Muss man dem Wähler sagen, ihr müsst verzichten? Meine Antwort ist: Nein.
Wir Deutschen sollten alles tun, um der Schweiz zu signalisieren: Wir wollen, dass ihr so eng wie möglich an Europa dranbleibt.
Sie wollen mehr Verkehr auf die Schiene verlagern. Das verspricht Deutschland aber schon lange. Die Schweiz hat einen riesigen Tunnel durch die Alpen gebaut, Deutschland erfüllt seinen Teil der europäischen Abmachung frühestens 2040. Wie wollen Sie das ändern?
Es ist schlecht, dass Deutschland hier derart mühevoll agiert. Das betrifft nicht nur die Schweiz, wir haben die gleiche Diskussion auch am Brenner. Da ziehen die Grünen auch nicht mit. Wir müssen uns alle ändern, damit wir – das sind grosse Infrastrukturprojekte, die auch die Schweiz gestemmt hat – schneller und besser werden.
Wie relevant ist die kleine Schweiz für Sie?
Na, so klein ist die nicht. Die hat ihre eigenen Gesetzmässigkeiten, die Steuergesetze zum Beispiel.
Ah, das Thema Steuern.
Die Schweiz zeigt, dass man mit einem guten Steuersystem erfolgreich sein kann. Die Schweiz ist ein wichtiger Partner für Deutschland. Ich würde mir wünschen, dass sie eng bei Europa bleibt. Deshalb ist es schade, dass das Rahmenabkommen gescheitert ist. Wir Deutschen sollten alles tun, um der Schweiz zu signalisieren: Wir wollen, dass ihr so eng wie möglich an Europa dranbleibt.
Und zum Schluss: Wenn Sie ein Tier wären, welches Tier wären Sie?
Was für ein Tier wäre ich… ein Pferd!
Ein Pferd? Warum?
Es überspringt die Hindernisse so hoch, wie es muss.
Das Gespräch führten Bettina Ramseier und Peter Voegeli.