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International Deutschland entdeckt Flüchtlinge als Wirtschaftsfaktor

Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, wecken Angst und nun auch Interesse. Denn die deutsche Wirtschaft sieht in ihnen wertvolle Arbeitskräfte.

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Flüchtlinge - willkommene Arbeitskräfte in Deutschland
aus Rendez-vous vom 24.11.2015. Bild: Reuters
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Alfred Hederer, geboren 1948 in Bayern, ist zwar Deutscher, lebte Zeit seines Lebens in der Bundesrepublik und ist dennoch noch immer nicht ganz einer von uns, wie die Ortsansässigen sagen.

Denn seine Eltern flohen nach dem zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland in die Bundesrepublik, so wie insgesamt zwölf Millionen Deutsche. Und so heisst es noch heute bei den alten Leuten auf dem Land: «Das sind ja Flüchtlinge», erzählt Hederer.

Deutschland hat schon grössere Migrations- und Integrationswellen erlebt.
Autor: Enzo Weber Forschungsstelle der Bundesagentur für Arbeit

Die Flüchtlinge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen, es waren ja Landsleute, aber es gab schon Reibereien, sagt Hederer. «Unsere Eltern sind bei bestehenden Familien zwangseingewiesen worden. Dann hat man sich die Küche oder das Bad geteilt. Das mussten die Leute halt einfach hinnehmen.»

Entsprechend relativiert Enzo Weber von der Forschungsstelle der Bundesagentur für Arbeit, also jener gigantischen Behörde mit über 100'000 Mitarbeitern, die früher Arbeitsamt hiess, den heutigen Flüchtlingsstrom. «Deutschland hat schon grössere Migrations- und Integrationswellen erlebt.»

Wirtschaft sieht Flüchtlingsstrom positiv

Die deutsche Wirtschaft und viele Forschungsinstitute sehen den Flüchtlingsstrom volkswirtschaftlich positiv. Einzig das Münchner ifo-Institut rechnet für 2015 mit gigantischen Kosten von insgesamt 21 Milliarden Euro für Betreuung, Unterbringung und zusätzliche Beamte.

Unsere Simulationen zeigen, dass der Nutzen für den Staat nach fünf Jahren grösser sein könnte als die Kosten.
Autor: Marcel Fratscher Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft

Aber selbst Gabriel Felbermayr vom ifo-Institut räumt ein, dass es unter dem Strich auch positive Effekte für die Wirtschaft gebe. Positive Effekte, die der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft DIW, Marcel Fratscher, so formuliert. «Unsere Simulationen zeigen, dass der Nutzen nach fünf Jahren grösser sein könnte als die Kosten für den Staat.»

Konkret rechnet man mit mehreren zehntausend neuen Jobs in Deutschland im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise für nächstes Jahr: für die Polizei, die Arbeitsämter, das Bundesamt für Migration. Dazu kommt, dass eine Million Stellen in Deutschland offen sind. Wirtschaftlich geht es Deutschland, vor allem wegen des Exportüberschusses, kurzfristig sehr gut. Langfristig braucht Deutschland, wegen der Überalterung, Zuwanderung von aussen. Vor allem Jobs im Pflegebereich sind gesucht.

Obergrenze für Flüchtlinge gibt es nicht

Enzo Weber ergänzt: «Eine wirklich ökonomische Obergrenze für eine verkraftbare Einwanderung gibt es nicht. Die Grenzen der Einwanderung liegen in der Umsetzung und sind da erreicht, wo ein Land nicht mehr reaktionsfähig ist.»

Gemeint ist die Integration, wie gut und wie rasch die Bundesagentur für Arbeit die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren kann. Pressesprecher Paul Ebson sagt: «Wir gehen mit unseren Mitarbeitern in die Erstaufnahmelager, um dort die Kompetenzen der Flüchtlinge abzuklären. Wir merken uns schon vor, wer für welche Tätigkeiten in Frage kommt.»

Vielzahl ohne berufliche Qualifikation

Das heisst, schon während des Asylverfahrens wird parallel versucht, Arbeitsplätze für die Flüchtlinge mit einer guten Bleibeperspektive gesucht. Über die Qualifikation der Flüchtlinge sagt Paul Ebson. «Wir wissen derzeit nur aus Stichprobenerhebungen, dass eine Vielzahl der Flüchtlinge und Asylbewerber ohne berufliche Qualifikation kommen. Wir sprechen von 70 - 80 Prozent.»

Aber auch für diese Flüchtlinge habe es Platz, sagt Paul Ebson. «Im Moment ist der Arbeitsmarkt sehr stabil. Die Zahl der Erwerbstätigen wächst. Wir haben genügend offene Stellen. Wir hätten auch genügend Potenzial für Vermittlungen.» Entscheidend sind die Integrationsleistung und die Geschwindigkeit der Integration.

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