Zum Inhalt springen

Die Vereinten Nationen Organisatorin UNO-Zukunftsgipfel: «Das ist ein Langstreckenlauf»

Angesichts der Kriege, Krisen und Konflikte weltweit tut sich die UNO enorm schwer, ihre Rolle zu spielen. Aus der Bredouille helfen soll ihr nun ein grosser Zukunftsgipfel im September. Die Weltorganisation soll gerüstet sein für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Nicht weniger als die Neulancierung der Vereinten Nationen versprach man sich anfangs davon. Inzwischen wurden die Erwartungen heruntergeschraubt. Ein Gespräch mit Michèle Griffin, der Organisatorin des UNO-Zukunftsgipfels.

Michèle Griffin

Organisatorin des UNO-Zukunftsgipfels

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

In ihrer mehr als fünfundzwanzigjährigen Laufbahn bei der UNO war Michèle Griffin als leitende politische Beraterin und Direktorin für politische Planung für mehrere Generalsekretariate tätig. Derzeit leitet sie unter Generalsekretär António Guterres das Team für den UNO-Zukunftsgipfel. Zuvor koordinierte Griffin wichtige Initiativen des Generalsekretärs, darunter seine Covid-19-Politik und den Aufruf zum Handeln im Bereich Menschenrechte.

Bild: United Nations Photo Library

SRF: Die Rede war zuerst von der Erfindung der «UNO 2.0». Waren die Ambitionen für den Zukunftsgipfel damals nicht viel zu hoch, weshalb jetzt das Risiko einer grossen Enttäuschung besteht?

Michèle Griffin: Nein, ich denke nicht. Allerdings war die Weltlage eine andere, als wir begannen, diesen Gipfel zu planen. Wir befanden uns damals mitten in der Covid-Pandemie. Erstmals stand die ganze Welt derselben Bedrohung gegenüber. Doch statt gemeinsame Antworten anzustreben, fuhren viele Länder «Sonderzüglein» und kooperierten nur begrenzt. Die Grundidee war daher, allen klarzumachen, wie existenziell internationale Zusammenarbeit ist und dass gravierende Mängel bestehen. Wir müssen nun die UNO zukunftsfähig machen. Deshalb brauchen wir ehrgeizige Ambitionen. Nur so können wir den sich rasch wandelnden Herausforderungen begegnen.

Inzwischen hat sich die Welt verändert, die Spannungen sind gewachsen, gemeinsame Lösungen sind noch viel schwieriger zu erreichen.

Ja, wir haben seither den Krieg in der Ukraine, den Krieg in Gaza, enorm rasche Entwicklungen bei der künstlichen Intelligenz und im Digitalen generell, eine Verschärfung des Klimawandels, die Militarisierung des Weltraums, …. Ohne überzeugende Antworten auf diese zentralen Probleme können wir keine Stärkung des multilateralen Systems schaffen.

Grosses Wandgemälde von zwei Menschen, die einen begrünten Planeten halten.
Legende: New York: Das Wandbild von Eduardo Kobra an der Fassade der UNO steht dafür, wie die Welt an eine nächste Generation übergeben wird. Imago / TheNews2 / Niyi Fote

Wie erklären Sie einer Bürgerin, einem Bürger, was ihnen der UNO-Zukunftsgipfel bringt?

Ein derart umfassendes, komplexes Vorhaben, ist schwer zu erklären. Dazu kommt: Es braucht nicht nur klare Ziele auf Seiten der UNO, es braucht primär den Willen der Mitgliedstaaten: Zu welchen Schritten, zu welchen Kompromissen bieten sie Hand angesichts der aktuellen geopolitischen Spannungen? Und was am Ende in den Beschlüssen steht, ist für das Durchschnittspublikum gewiss nicht leicht zu verstehen. Und: Das Ganze ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Wir werden im September keine fertigen Lösungen parat haben.

Bei der Künstlichen Intelligenz gibt es nun Vorstellungen, wie wir sie regulieren, sodass sie der Menschheit nützt und nicht schadet.

Wo erwarten sie konkrete Fortschritte auf dem Zukunftsgipfel?

Ich rechne damit bei der nachhaltigen Entwicklung, bei der Finanzierung von Entwicklung und nicht zuletzt bei der Reform der internationalen Finanzarchitektur. Ich erwarte auch Fortschritte beim Thema Frieden und Sicherheit, eine Stärkung der Diplomatie, von Vermittlungsbemühungen, von Friedensmissionen. Da gibt es neue Ideen. Beim enorm schwierigen und aktuell blockierten Thema Abrüstung, nicht zuletzt der nuklearen, müssen wir schon mit minimalen Fortschritten zufrieden sein. Bei der Künstlichen Intelligenz gibt es nun Vorstellungen, wie wir sie regulieren, wie wir ihre Chancen und Risiken einschätzen, wie wir sie managen, sodass sie der Menschheit nützt und nicht schadet.

... und wo sind keinerlei Fortschritte zu erwarten?

Ich finde nicht, dass es irgendwo keinerlei Bewegung gibt. Doch wir müssen bescheiden sein, angesichts des herrschenden Klimas des Misstrauens. Schon kleine Schritte sind da ein Erfolg. Dass sich alle UNO-Mitglieder grundsätzlich zu internationaler Zusammenarbeit bekennen, ist derzeit nicht selbstverständlich.

Eine grosse Frage, welche die UNO seit Jahrzehnten umtreibt, ist die Reform des Sicherheitsrates. Hat man sie einfach ausgeklammert?

Diese Frage ist sehr wohl auf dem Tisch. Aber da müssen wir eine harte Nuss knacken. Immerhin sagen nun auch die fünf Vetomächte, dass Reformen nötig sind, dass der Sicherheitsrat repräsentativer werden muss. Sonst verliert er weiter an Glaubwürdigkeit. Auch Grenzen beim Einsatz des Vetos werden zum Thema. Es geht nicht nur darum, welche Länder im Sicherheitsrat sitzen, wichtig ist auch, wie das Gremium arbeitet. Auch da sind Verbesserungen nötig. Die UNO muss künftig besser imstande sein, rasch und richtig auf Schocks und Krisen zu reagieren.

Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.

SRF 4 News, 28.8.2024, 21 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel