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Drittes Nein zum Brexit-Deal Die Regierung wird nun zur Zuschauerin

Aller guten Dinge sind drei: Heute hat das britische Unterhaus definitiv kund getan, dass es nicht mit dem Scheidungsabkommen leben kann, das Premierministerin Theresa May mit der Europäischen Union abgeschlossen hat. Die Vorlage wurde beim dritten Versuch mit 286 zu 344 Stimmen abgeschmettert.

Es ist pikant, dass diese emotionale Abstimmung nur wenige Stunden vor dem für unverrückbar geltenden Austrittstermin stattfand. Nun kommt der nächste Prellbock am 12. April.

Labour bleibt hart

Theresa May hat es in den letzten zwei Jahren unterlassen, Kontakte zu gemässigten Labour-Abgeordneten zu knüpfen und sie in einen Konsens einzubinden. Nur fünf Labour-Parlamentarier unterstützten sie diesmal; das ist kläglich, denn das Scheidungsabkommen stösst bei der Linken kaum auf vehementen Widerstand.

Doch Mays angekündigter Abgang hat die Lust zum Entgegenkommen auf Labour-Seite noch gedämpft. Ihr Nachfolger mag durchaus ein rabiater Brexit-Befürworter sein, der das soziale Netz weitmaschiger gestalten will.

Unbeugsame Nordiren

Entscheidend für die heutige Niederlage war indessen eine erneute Rebellion in den Reihen der Regierung. Die zehn nordirischen Abgeordneten blieben unerbittlich: das Scheidungsabkommen hätte die Union zwischen Grossbritannien und Nordirland gesprengt, meinten sie.

Die Brexit-Befürworter in der konservativen Fraktion liefen zwar scharenweise zu May über, aber der harte Kern von 34 reichte, um das Vorhaben zu torpedieren.

Ein anderer Brexit

Die Regierung wird nun zur Zuschauerin. Am Montag wird das Unterhaus – erneut in eigener Regie – die Optionen für den erwünschten Endzustand ausloten. Das begann am letzten Mittwoch. Prominente Hinterbänkler zimmern gegenwärtig Kombinationen und Kompromisse auf der Suche nach einer Mehrheit.

Das kann durchaus gelingen. Damit kann die Regierung dann – freiwillig oder unter Zwang – zurück nach Brüssel. Der Verbleib in der Zollunion und womöglich auch im Binnenmarkt entschärft auch das Scheidungsabkommen.

Die Zeit drängt

Die EU denkt offenbar schon darüber nach, den Stichtag einseitig auf den 22. Mai zu verschieben. Das eben skizzierte Szenario könnte knapp in diesen Zeitraum passen.

Falls das Unterhaus sich aber auf eine zweite Volksabstimmung einigt, muss der Austrittstermin viel weiter verschoben werden. Das erforderte auch britische Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai. Mays Brexit ist nach langer Agonie gescheitert, aber das mag auch eine Chance für das Vereinigte Königreich sein.

Martin Alioth

Ehemaliger Grossbritannien- und Irland-Korrespondent, SRF

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Der ehemalige Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

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