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Druck auf Delhi Das Ende der US-indischen Freundschaft

Trump droht mit 50 Prozent Zoll gegen Indien – nun orientiert sich Modi in Richtung Peking.

Die Zollankündigung von Donald Trump sei einigermassen überraschend gekommen, sagt Harsh Pant, einer der profiliertesten indischen Experten für Aussenpolitik. Überraschend? Das klingt wie eine diplomatische Untertreibung angesichts des Schocks, den die USA in Indien ausgelöst haben.

Indien und die USA haben beide Interesse an einem Kräftegleichgewicht im Indopazifik.
Autor: Harsh Pant Experte für internationale Beziehungen am King's College London

Zwei Jahrzehnte lang pflegten die beiden Länder gute bilaterale Beziehungen. Washington suchte die strategische Nähe des ehemals blockfreien Indiens. Die grösste Demokratie der Welt sollte ein Bollwerk gegen das immer mächtiger werdende China sein.

«Sowohl Indien als auch die USA haben Interesse an einem Kräftegleichgewicht im Indopazifik», sagt Pant, der am King's College in London internationale Beziehungen lehrt.

Trump vom Handelsbilanzdefizit besessen

In Trumps erster Amtszeit schien das Verhältnis zu Modi besonders eng. Doch in der zweiten Amtszeit liegt die Priorität weniger auf der Feindschaft zu China als auf dem grossen Handelsdefizit der USA, das Trump mit hohen Zöllen und bilateralen Handelsverträgen bekämpft. Auch mit Indien wird deshalb verhandelt.

Brennende Puppe mit zwei Gesichtern bei Protest.
Legende: Die Inder haben keine Freude an den hohen US-Zöllen. Und so kam es auch zu Protesten – angeführt von der politischen Opposition in Delhi. IMAGO/DEBAJYOTI CHAKRABORTY

Wegen der guten Beziehungen zu Modi schien Trump davon auszugehen, dass er dieses Abkommen schneller als mit anderen Ländern abschliessen könne, vermutet Pant. Doch Mitte Mai sei die viertägige militärische Eskalation zwischen Indien und Pakistan um Kaschmir dem Handelsabkommen in die Quere gekommen.

«Trump und Modi stritten anschliessend darüber, wer den Konflikt beendet hatte», stellt Pant fest. Indien habe das seiner militärischen Überlegenheit zugeschrieben, Trump seinem persönlichen Verhandlungsgeschick – eine Interpretation, die Indien alt aussehen liess und entsprechend verärgert habe.

Je mehr Trump auf seiner Sicht beharrte, desto weniger sei Indien bereit gewesen, im Handelsstreit nachzugeben.

Trumps Retourkutsche für Kaschmir

Der frustrierte Trump habe daraufhin den öffentlichen Druck auf Indien erhöht – durch Androhung extrem hoher Zölle. Ausserdem lud er den einflussreichen pakistanischen Armeechef, General Munir, ins Weisse Haus ein. Ein Affront gegenüber Indien.

Indien versucht, seine Beziehung zu China wieder zu stabilisieren.
Autor: Harsh Pant Experte für internationale Beziehungen am King's College London

Modi ist durch die feindliche Haltung des ehemaligen Freundes Trump also nun nicht nur wirtschaftlich gefordert, sondern auch aussenpolitisch.

Indien hoffe zwar noch, dass die angedrohten US-Zölle verhindert werden könnten, sagt Pant. «Gleichzeitig versucht Indien aber auch, seine Beziehung zu China wieder zu stabilisieren.» China ist zwar Indiens grösster Handelspartner, doch die diplomatischen Beziehungen sind seit einem Grenzkonflikt vor fünf Jahren frostig.

Modi besucht Peking

Nun plant Modi nach langer Eiszeit Ende August erstmals wieder einen Besuch in China. Trotzdem würden Peking und Delhi kurzfristig wohl keine grossen strategischen Partner, vermutet Pant.

Aber wenigstens kämen sie auf das Niveau von 2020, vor dem Grenzkonflikt, zurück. Gleichzeitig pflegt Indien demonstrativ seine Beziehungen zu Russland, einem wichtigen Waffenlieferanten. Schon bald wird Präsident Wladimir Putin in Indien erwartet.

Die alte Weltordnung sei in Bewegung, sagt Politikexperte Pant. Die Freunde der USA und ihre Verbündeten bezweifelten unter Trump Amerikas Verlässlichkeit als strategischer Partner und dessen Führungsrolle bei der Bewältigung von Konflikten.

Amerika selbst sei zum Störfaktor geworden. Deshalb bleibe Ländern wie Indien gar nichts anderes übrig, als ihre strategischen Optionen neu auszurichten, so Pant.

Rendez-vous, 12.8.2025, 12:30 Uhr;brus

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