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Hexenjagd oder Wahrheitssuche?
Aus Echo der Zeit vom 15.05.2018. Bild: Reuters
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Ein Jahr Sonderermittlung Die Ermittlungen des Robert Mueller – eine Zwischenbilanz

Seit einem Jahr läuft in den USA die Mueller-Sonderermittlung. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen und sind dem engen Kreis um Präsident Donald Trump nähergerückt. Dieser bezeichnet die Sonderermittlung als «Hexenjagd».

So lautet der Ermittlungs-Auftrag: Am 17. Mai 2017 ernannte der stellvertretende Leiter des Justizdepartements, Rod Rosenstein, den ehemaligen FBI-Chef Robert Mueller zum Sonderermittler. Die Ernennung folgte acht Tage nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey. Da Justizminister Jeff Sessions sich bezüglich der Russland-Affäre als befangen erklärt hatte, war sein Stellvertreter zuständig für die Einberufung der Sonderermittlung.

Rosensteins Auftragsschreiben überträgt die FBI-Ermittlungen in der Russland-Affäre unter Comey an den Sonderermittler und definiert ein sehr breites Untersuchungsfeld:

  • Alle Verbindungen zwischen der russischen Regierung und Personen der Trump-Wahlkampf-Kampagne.
  • Alle Tatbestände, die durch die Ermittlung offengelegt werden.
  • Alle Angelegenheiten, die in der gesetzlich definierten Kompetenz eines Sonderermittlers des Justizdepartements liegen (z.B. Meineid und Justizbehinderung).

So geht Sonderermittler Mueller vor: Sehr gezielt und schweigsam. Bisher gab es aus dem Ermittlungsteam keine Leaks. Und im Gegensatz zu Sonderermittler Kenneth Starr in der Affäre um Bill Clinton gibt Robert Mueller keine Interviews. Entsprechend dürr ist die Informationslage. Aufgrund des juristischen Personals sowie der Aussagen von James Comey vor dem Senatsausschuss weiss man, dass es mindestens fünf Teil-Ermittlungen gibt:

  • Geldwäscherei und Finanzdelikte
  • Russische Einmischung in den Wahlkampf und Desinformation
  • Cyberkriminalität, z.B. Daten-Hacking der Parteizentralen beider Parteien
  • Kontakte zwischen der Trump-Kampagne und russischen Akteuren
  • Justizbehinderung

Sonderermittler Mueller verfolgt eine Strategie, die einer Mafia-Ermittlung gleicht. Man packt sich die kleinen Nummern, zwingt diese zu kooperieren und arbeitet sich so ins Zentrum der Macht vor.

Diese konkreten Ergebnisse haben die bisherigen Ermittlungen gebracht: Es kam bisher zu 13 Anklagen gegen russische Akteure und drei Anklagen gegen russische Organisationen wegen Verschwörung und Identitätsdiebstahls. Es geht um die digitale Einflussnahme auf die US-Wahlen 2016, aber laut Anklage auch um klassische Agitation auf US-Boden.

Unter den Angeklagten befindet sich der russische Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin als Chef einer mutmasslich involvierten privaten Beratungsfirma; er steht dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahe.

Zudem kam es zu Anklagen gegenüber vier Personen, die Trump nahestanden: seinem Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort, dessen Geschäftspartner Robert Gates; Trumps erstem Sicherheitsberater Mike Flynn sowie Trumps Wahlkampf-Berater George Papadopoulos. Sie sind alle der Falschaussage angeklagt, Gates zusätzlich der Verschwörung.

Alle ausser Manafort haben die Schuld eingestanden. Man darf also annehmen, dass sie mit der Sonderermittlung kooperieren. Insbesondere Papadopoulos könnte möglicherweise weitere Figuren im Umfeld von Trump durch Aussagen belasten. Er scheint um das Hacking der demokratischen Datenbank und der Podesta-Mails (John Podesta war 2016 Wahlkampfmanager von Hillary Clinton, Anm. d. Red.) im Voraus gewusst zu haben, die von Wikileaks im Sommer 2016 publik gemacht wurden. Manafort wird voraussichtlich im September vor Gericht stehen.

Paul Manafort in Nahaufnahme.
Legende: Paul Manafort ist Ex-Wahlkampfmanager von Donald Trump. Er verweigert bisher Aussagen in den Ermittlungen. Reuters

Diese Ermittlungsschritte werden noch erwartet: Es sind bisher nur Bruchstücke weiterer Ermittlungen bekannt. Man weiss, dass Trump-Anwalt Michael Cohen und seine Finanzen betroffen sind. Auch Präsidentensohn Donald Trump Jr. wird als gefährdete Figur angesehen, da er das Treffen mit einer russischen Anwältin beförderte, die nach späteren eigenen Angaben im Dienst des russischen Geheimdiensts stand. Erkenntnisse über das Hacking der demokratischen Parteizentrale und der Podesta-Mails fehlen bisher. Nicht abgeschlossen sind zudem die Untersuchungen zur möglichen Justizbehinderung durch den Präsidenten wegen der Comey-Entlassung.

Kongresswahlen im Herbst könnten Untersuchungen stoppen: Es gibt kein Gesetz, das es verlangen würde, aber ein langjähriges FBI-Protokoll, das Wahlbeeinflussung verbietet. Eine Anklage gegen jemanden im Umfeld von Donald Trump während der heissen Wahlkampfphase würde zweifellos als eine solche angesehen. Es wird deshalb erwartet, dass es bis Juli zu weiteren Vorladungen, Verhören oder Anklagen kommen könnte. Möglicherweise könnte Trump aufgefordert werden, eidesstattlich auszusagen. Danach gilt wohl Kommunikationsstopp. Die Ermittlungen selber würden dadurch aber nicht tangiert.

So sehr beunruhigen die Untersuchungen das Weisse Haus: Es gibt viele Leaks aus dem Weissen Haus, die besagen, dass die Ermittlungen den Präsidenten umtreiben. Sein Stabschef John Kelly sprach kürzlich von «Frustration». Fakt ist, dass Trump immer wieder von einer politisch motivierten «Hexenjagd» spricht, die so schnell wie möglich eingestellt werden müsse. Auch äussert er die Meinung, dass es eine zweite Sonderermittlung wegen angeblicher Kontakte der Clinton-Kampagne mit russischen Akteuren braucht. Eine Umbesetzung des Justizdepartements, mit dem Ziel die Mueller-Untersuchung zu stoppen, hat er bisher unterlassen. Sie wäre politisch heikel.

Zudem hat das juristische Team im Weissen Haus jüngst interessante Zugänge erlebt. Mit Rudy Giuliani, dem Ex-Bürgermeister von New York und einstigem Ermittler, steht Trump nun ein aggressiver Anwalt zur Verfügung, der sich mit strafrechtlichen Ermittlungen gerade im Finanzbereich gut auskennt; und mit Emmet Flood ein erfahrener Amtsenthebungs-Anwalt, der Präsident Bill Clinton während seines Verfahrens gedient hatte.

Rudy Giuliani in Nahaufnahme an einem Rednerpult.
Legende: New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani steht Trump neuerdings als Anwalt zur Seite. Reuters

Der unmittelbare Einfluss der Untersuchungen auf Trumps Präsidentschaft: Bisher gibt es keinen Nachweis, dass der Präsident das Gesetz gebrochen hat, zum Beispiel durch Justizbehinderung. Wäre das der Fall, dann würde unter gängigen Regeln des Justizdepartementes dem Kongress Bericht erstattet. Und dort gibt es für einen Präsidenten laut US-Verfassung einen klaren Weg, macht er sich «des Landesverrats, der Bestechung oder anderer schwerer Verbrechen» schuldig: Das Amtsenthebungsverfahren im Repräsentantenhaus und der Prozess im Senat, wo es für eine Verurteilung eine Dreiviertel-Mehrheit braucht. Das wäre unter dem gegebenen Mehrheitsverhältnis kaum wahrscheinlich.

Weiterführende Ermittlungen dürften deshalb zunächst der Reputation des Präsidenten schaden, insbesondere, wenn Familienmitglieder des Präsidenten angeklagt würden. Aber auch das ist derzeit nicht absehbar.

Schliesslich dürfte selbst der politische Schaden im Fall des Falles begrenzt sein: Der Präsident schwebt gerade auf einem Beliebtheitshoch. Die Trump-Wählerinnen und Wähler scheint die Mueller-Sonderermittlung nicht sonderlich zu beunruhigen.

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