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Elon Musk kauft Twitter Was bedeutet die Twitter-Übernahme durch Musk für die US-Politik?

Elon Musk übernimmt Twitter . Damit übernimmt ein brennender Befürworter der freien Meinungsäusserung die Kurznachrichten-Plattform. Die USA-Expertin Claudia Brühwiler erklärt die politischen Folgen dieser Übernahme.

Claudia Brühwiler

Politologin

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Die Politologin Claudia Brühwiler ist Dozentin für Amerikanistik an der Universität St. Gallen.

SRF News: Twitter ist eine Plattform, die auch die Meinungsbildung beeinflusst. Elon Musk hat angedeutet, die Regeln auf Twitter zu lockern – man soll wieder mehr sagen bzw. schreiben können. Was bedeutet das für die Politik in den USA?

Claudia Brühwiler: Das ist noch nicht so klar. Es ist nicht so, dass er für eine totale Redefreiheit ist. Er hat gesagt, er sei vor allem dagegen, dass man jemanden lebenslänglich von der Plattform verbannt. Er möchte stattdessen kurzzeitige Suspensionen und Ausschlüsse. Und er möchte, dass die Content-Moderation, diese Kontrolle der Inhalte, transparenter wird und dass man nicht einfach alles löscht, was einem zuwider ist.

Der rechte Fernsehsender Fox News jubiliert schon, titelt mit Free Bird. Dass Musk Twitter übernimmt, ist also eine gute Neuigkeit für die Republikaner?

Die Frage ist, wie stark die Konservativen tatsächlich eingeschränkt waren. Die Hälfte der Republikaner, die auf Twitter aktiv sind, finden, dass Twitter sie in ihrer Meinungsfreiheit einschränkt.

Die wahrgenommene Zensur scheint stärker zu sein, als sie tatsächlich ist.
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Aber Studien der New York University haben das widerlegt und gesagt, dass vor allem Meinungsführer der Republikaner immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geraten und Zensur in dem Sinne hinnehmen müssen. Die wahrgenommene Zensur scheint stärker zu sein, als sie tatsächlich ist.

Ex-US-Präsident Donald Trump wurde nach dem Sturm aufs Kapitol von Twitter verbannt und verlor damit sein wohl wichtigstes Sprachrohr. Trump hat dementiert, auf Twitter zurückzukehren. Er bleibe auf seiner eigenen Plattform Truth Social. Wie schätzen Sie das ein?

Wie immer bei Trump weiss man nicht so recht, woran man ist. Sein Gegenentwurf zu Twitter ist nicht besonders erfolgreich. Trumps Reichweite ist entsprechend gering. Ausserdem fehlt ihm über Truth Social die Möglichkeit, die er über Twitter hatte: den öffentlichen Diskurs voranzutreiben. Darin sehen viele Experten die eigentliche politische Kraft von Twitter. Es ist nicht so, dass man auf Twitter seine Meinung macht. Aber Twitter beeinflusst Meinungsmacher und den medialen Diskurs.

Wie wichtig ist Twitter für die Meinungsbildung in der amerikanischen Politik?

Von Twitter sagt man, es sei elitärer als andere soziale Medien. Alles, was in der amerikanischen Politik Rang und Namen hat, muss auf Twitter aktiv sein. Wir finden auch viele politische Beobachter, Journalisten. Allerdings sind nur gerade 13 Prozent der Inhalte, die auf Twitter geteilt werden, tatsächlich politischer Natur. Und diese politischen Inhalte werden von einer besonders aktiven Schicht bearbeitet, geteilt.

Es wäre zu weit gegriffen, Twitter als rein politisches Medium zu charakterisieren.
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Es wäre zu weit gegriffen, Twitter als rein politisches Medium zu charakterisieren. Aber es ist sehr wichtig, darin den politischen Diskurs voranzutreiben. Es kommen immer wieder Twitter-Debatten in die mediale Berichterstattung, die wichtig ist für die Meinungsbildung.

Erhält Elon Musk ein Stückchen politische Macht mit der Übernahme von Twitter?

Die Frage ist, ob er das überhaupt will. Elon Musk ist Unternehmer durch und durch. Er sagt, ihm gehe es vor allem um die Meinungsfreiheit. Aber man muss ihn immer auch als Unternehmer sehen, der in Twitter eine Herausforderung sieht. Twitter war in den letzten Jahren nicht besonders profitabel. Das wird ihn reizen, das Potenzial weiter auszuloten.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

Demokratische Redefreiheit, autokratische Organisation

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Einige wichtige Kommunikationskanäle werden von einigen wenigen Männern gesteuert. Elon Musk bringt Twitter unter seine Kontrolle. Ein anderes Beispiel ist Mark Zuckerberg, der den Facebook-Konzern steuert. Musk hält zwar die Redefreiheit hoch, doch genaue diese bräuchte demokratische Legitimation, findet der SRF-Digitalredaktor Guido Berger. Eine Gesellschaft sollte sich darauf einigen, was gesagt werden darf und wo die Grenzen sind.

«Indem man Twitter von der Börse nimmt und unter die Kontrolle eines einzelnen Mannes bringt, nimmt man uns die Möglichkeit, von aussen den Kurs des Unternehmens zu bestimmen», sagt Berger. Auf der einen Seite stehe also das demokratische Prinzip der Redefreiheit. Andererseits sei das Unternehmen aber autokratischer organisiert. «Das scheint mir ein recht direkter Widerspruch zu sein.»

Dennoch würden circa 300 Millionen Menschen twittern und mitbestimmen, was auf der Plattform tatsächlich passiert. «Musk kann nicht allen einzeln sagen, was sie genau tweeten sollen. Wenn er dazu extreme Wendungen vollzieht, könnte es auch sein, dass die Leute die Plattform einfach verlassen. So gesehen ist der Handlungsspielraum von Elon Musk eingeschränkt, trotz all dem Geld und der vollen Kontrolle.»

SRF 4 News, 26.04.2022, 06:19 Uhr ; 

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