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Der Streit um Bergkarabach dürfte kaum rasch beigelegt werden
Aus SRF 4 News aktuell vom 24.05.2023. Bild: Imago/Gilles Bader/Le Pictorium
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Endloser Konflikt im Kaukasus Aserbaidschan verweigert sich Armeniens Garantieforderung

Im Konflikt um Bergkarabach im Südkaukasus tut sich etwas. Offenbar ist Armenien bereit, die umstrittene Region Aserbaidschan abzugeben, wenn sich Baku dazu verpflichtet, die Sicherheit der armenischen Bevölkerung in Bergkarabach zu garantieren. Die Hintergründe des Konflikts kennt der Osteuropa-Experte Stefan Meister.

Stefan Meister

Stefan Meister

Politologe

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Stefan Meister ist Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er spricht Deutsch, Russisch, Englisch und Polnisch.

SRF News: Warum ist Armenien jetzt plötzlich bereit, Bergkarabach aufzugeben?

Stefan Meister: Armenien hat den zweiten Krieg um Bergkarabach im Jahr 2020 verloren. Es musste sich von den im ersten Krieg eroberten aserbaidschanischen Gebieten zurückziehen, Aserbaidschan wurde nur durch das Eingreifen Russlands gestoppt.

Armenien hat eigentlich keine andere Wahl, als Bergkarabach aufzugeben.

Armenien ist also militärisch und sicherheitspolitisch unter Druck – und hat eigentlich keine andere Wahl, als die Kontrolle über die Region aufzugeben.

Gab es schon früher Anzeichen, dass Armenien Bergkarabach abtreten könnte?

Diese Diskussion wird seit rund einem Jahr geführt. Premierminister Nikol Paschinjan hat schon mehrfach deutlich gemacht, dass er die Kontrolle über Bergkarabach abgeben wird. Jetzt ist dazu lediglich ein offizielles Statement erfolgt, um Druck auszuüben und in irgendeiner Form internationale Garantien für die in Bergkarabach lebenden Armenier zu erhalten.

Weitere Streitpunkte

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Aserbaidschan und Armenien liefern sich seit Jahrzehnten einen Konflikt um Bergkarabach. In den 1990er-Jahren konnte sich die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region in einem blutigen Bürgerkrieg von Aserbaidschan lösen. 2020 holte Baku nach neuen Kämpfen über ein Waffenstillstandsabkommen die Kontrolle über einen Teil des Gebiets zurück. Eine russische Friedenstruppe soll die Einhaltung des Abkommens überwachen. Der Waffenstillstand ist allerdings brüchig. Bis zuletzt kam es immer wieder zu Gefechten zwischen beiden Seiten. Die Kämpfe weiteten sich auch auf andere Grenzgebiete Armeniens und Aserbaidschans aus.

Völkerrechtlich gehört Bergkarabach zu Aserbaidschan, kein einziges Land hat die Unabhängigkeit der Region je anerkannt. (sda)

Ist Aserbaidschan bereit, die Forderung zu erfüllen?

Nein. Für Baku ist das Thema Bergkarabach bereits erledigt, das Gebiet ist aus Sicht Aserbaidschans integraler Bestandteil des Landes.

Bergkarabach ist aus Sicht Aserbaidschans bereits integraler Bestandteil des Landes.

Auch gebe es in Bergkarabach kein Sicherheitsproblem für Armenier, sagt Baku. Laut Verfassung hätten Armenier und Aserbaidschaner die gleichen Rechte. Deshalb seien Sicherheitsgarantien nicht nötig oder relevant.

Welche Folgen hat das Abtreten der Region für die Armenier in Bergkarabach?

Es geht um die persönliche Sicherheit der Armenier: Im Krieg Ende 1980er- und Anfang 1990-er Jahre gab es Zehntausende Tote und Hunderttausende Vertriebene. Folgen waren ein sehr starkes Nationbuilding und ein Hass gegenüber der jeweils anderen Kultur.

Die Gefahr, dass Menschen vertrieben oder getötet werden, ist sehr gross.

Die Gefahr, dass es nun zu Racheakten an den Armeniern in Bergkarabach kommt, ist deshalb sehr gross – Menschen werden vertrieben oder getötet. Das ist auch in jenen Gebieten geschehen, die Armenien vor dem letzten Krieg kontrolliert hatte und jetzt aserbaidschanisch sind – die dort lebenden Armenier wurden grösstenteils eliminiert.

Proteste gegen armenische Regierung

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Legende: Immer wieder kommt es zu Protesten von Armeniern, die sich gegen eine Abtretung Berg Karabachs an Aserbaidschan wehren. Imago/Tass

Die armenische Regierung von Premierminister Nikol Paschinjan gilt als schwer angeschlagen durch die Niederlage im Krieg gegen den Nachbarn Aserbaidschan. Viele Armenier empfinden die Bedingungen des Waffenstillstands, in dem Eriwan auf Teile Bergkarabachs verzichtete, als erniedrigend. Eine völlige Aufgabe der Region dürfte Beobachtern zufolge neue Unruhen in Armenien hervorrufen. (sda)

Wie sehen Sie die Chancen, dass der Konflikt um Bergkarabach jetzt befriedet werden kann?

Die Chancen, dass es zu einer Einigung zwischen Baku und Eriwan kommt, sind derzeit relativ gering. Aserbaidschan sieht keinerlei Gründe dafür, nachzugeben. In Baku gibt es keine Kompromissbereitschaft, etwa internationale Beobachter oder Friedenstruppen nach Bergkarabach zu lassen, die die Sicherheitsgarantien durchsetzen könnten.

Das Gespräch führte Nicola Bär.

SRF 4 News, 24.5.2023, 06:40 Uhr;

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