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Das politische Vakuum im Irak hilft dem IS
Aus Echo der Zeit vom 22.07.2018. Bild: Keystone
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Entführungen, Morde, Anschläge Der IS ist zurück im Irak

Im Dezember 2017 verkündete die irakische Armee den Sieg über die Terroristen des IS. Mehr als 70 Städte und Dörfer im sunnitisch dominierten Norden des Landes wurden zurückerobert. Ministerpräsident Haider al-Abadi sagte, man habe alle IS-Kämpfer aus Irak vertrieben.

Mehr als ein halbes Jahr später klingt das wieder anders. Seit ein paar Wochen gibt es wieder vermehrt Meldungen über Entführungen, Ermordungen und Anschläge, die auf das Konto der Dschihadistenmiliz gehen sollen. Journalistin Inga Rogg erläutert, wie kritisch die Lage ist und was das Machtvakuum in Bagdad mit der Situation zu tun hat.

Inga Rogg

Inga Rogg

Journalistin

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Inga Rogg ist freie Journalistin in Jerusalem. Sie berichtete zunächst für die NZZ von 2003 bis 2012 aus Bagdad, dann bis 2019 aus Istanbul. Von 2019 bis 2023 war sie NZZ-Korrespondentin in Jerusalem. Seit Sommer 2023 arbeitet sie als freie Journalistin.

SRF News: Kontrolliert der IS zurzeit Gebiete in Irak?

Inga Rogg: Das tut der IS heute nicht. Aber es gibt Kämpfer, die für Unsicherheit sorgen. Es gibt Entführungen. Es gab kürzlich einen brutalen Mord an Sicherheitskräften und Milizionären. Der IS ist also weiter präsent im Irak und stellt weiterhin eine Gefahr dar.

War der IS also gar nie weg? Was ist der Grund für dieses neue Erstarken?

Wir betrachten den IS ja gerne nur unter dem Blickwinkel der letzten vier Jahre, als er riesige Gebiete unter seine Kontrolle gebracht hatte. Aber die Geschichte des IS geht im Irak über 15 Jahre zurück. Das Gebiet, in dem es diese Unsicherheit gibt, ist zwischen Kirkuk im Norden und Bagdad – und da gab es über die Jahre immer wieder Vorläufergruppen des IS, die im IS aufgegangen sind.

Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi hat gesagt, man habe alle IS-Kämpfer aus Irak vertrieben. Wer sind diese Kämpfer jetzt? Sind es Schläferzellen, die sich versteckt hielten?

Mit dieser Behauptung hat al-Abadi zu viel versprochen. Als ich das letzte Mal im November in diesem Gebiet im Norden war, sagten mir schon Menschen, dass sie Angst haben vor dem IS. Menschen sind in ihre Dörfer, ihre Städte zurückgekehrt und sie erzählten mir, dass IS-Kämpfer nachts auftauchen würden. Sie würden Lebensmittel und Geld erpressen. Die Menschen hatten damals schon Angst.

Es bräuchte eine Regierung, die auch Hand anpackt und bei der die Gelder nicht in korrupten Kassen versinken.

Wie gefährlich ist diese Lage?

Da ist die Frage: Wie geht es weiter in Irak, wie geht es weiter mit der neuen Regierung, wie geht es weiter mit der Protestwelle in Südirak? Und vor allen Dingen: Wie geht es weiter mit dem Wiederaufbau in der Region, wo der IS und seine versprengten Kämpfer ihr Unwesen treiben? In diesem Gebiet hat es Dörfer und Städte, die völlig verwaist sind, wo die Menschen geflohen sind und jetzt nicht zurückkehren können. Da müsste es die Regierung schaffen, die Menschen wieder anzusiedeln und für Infrastruktur zu sorgen, damit am Ende die Extremisten sich nicht neu organisieren können.

Zerstörtes Mosul
Legende: Der Wiederaufbau von Mossul steht still. Keystone

Das wird eine Weile dauern, bis dieses Vertrauen wiederhergestellt wird und die Dörfer wieder aufgebaut sind.

Ja, man darf nicht vergessen: Der Krieg gegen den IS hat zu enormer Zerstörung in Irak geführt. Schauen wir uns als Beispiel Mossul an. Der Westteil von Mossul, die Altstadt, ist zerstört. Da geht nichts mit dem Wiederaufbau voran. Das wird lange dauern. Es gibt Gebiete in Westirak, die auch zerstört wurden. Das braucht Geld und es bräuchte vor allem eine Regierung, die da auch Hand anpackt – bei der die Gelder nicht in korrupten Kassen versinken oder die Bürokratie den Wiederaufbau lahmlegt.

Drei Monate nach den Wahlen ist das Parlament noch nicht zusammengetreten, die Regierung ist noch nicht im Amt. Der IS scheint dieses Machtvakuum in Anspruch zu nehmen.

So weit würde ich nicht gehen. Die Sicherheitskräfte sind im Einsatz, der Irak hat sich mit ausländischer Hilfe so weit stabilisiert, dass die irakische Armee wieder operieren kann. Sie setzt den Kampf gegen den IS fort. Die USA haben sich bemüht, dass der Konflikt zwischen den Kurden im Norden und der Regierung in Bagdad etwas beigelegt wird. Da gab es jetzt zum ersten Mal wieder eine gemeinsame Operation gegen IS-Schläferzellen.

Aber insgesamt ist es natürlich so: Wenn politisch nichts voran geht, passiert in den anderen Fragen nichts. Beim Wiederaufbau passiert nichts, Investitionen wird es nicht geben – eben all diese Dinge, die grundlegend sind, um den IS von ziviler Seite her zu besiegen. Denn alleine mit militärischen Mitteln ist dies nicht zu schaffen.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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