Nach Jahrzehnten der Polarisierung zwischen linken und rechten Blöcken befürworten die Däninnen und Dänen eine breite Regierung in der politischen Mitte. Ein Steilpass für Regierungschefin Mette Frederiksen und ihren Vorgänger Lars Løkke Rasmussen.
Die Wahlnacht in der Kopenhagener Christiansborg war noch länger und spannender als gewöhnlich. Erst die ganz zuletzt ausgezählten Stimmen in Kopenhagen und dem fernen Grönland gaben den Ausschlag für das berühmte neunzigste Mandat im dänischen Parlament, das dem einen politischen Lager die Mehrheit verschafft. Und wie schon bei den letzten Wahlen 2019 waren es die rot-grünen Parteien, die dazu beitrugen, dass die Sozialdemokraten eine Minderheitenregierung bilden konnten.
Damit kann aber das jüngste Kapitel in der Geschichte der Demokratie in der ältesten Monarchie der Welt noch nicht geschlossen werden. Im Gegenteil – denn im Unterschied zu den letzten 25 Jahren sollen künftig in Dänemark nicht mehr «die Linken» oder «die Rechten» die Regierungsmacht auf Zeit bekommen, sondern eine neue Mehrheit in der sozialdemokratisch-liberalen Mitte. Eine solche Neuausrichtung forderte vor vier Jahren bereits der damalige liberale Vorgänger Frederiksens, Lars Løkke Rasmussen.
Als langjähriger Finanzminister und Regierungschef waren ihm die – so Rasmussen – «Dummheiten der Polparteien» zunehmend sauer aufgestossen. Dazu gehörten die Forderungen nach Steuererhöhungen im Land mit dem höchsten Steuerdruck von ganz links, aber auch die immer neuen Forderungen, die restriktivste Einwanderungs- und Ausländerpolitik weiter zu verschärfen, von ganz rechts. In den Wahlen gewannen dann jedoch die Sozialdemokraten, mit dem Versprechen, beiden Seiten entgegenzukommen.
Eine Mehrheitsregierung soll es richten
Damit konnte Mette Frederiksen die Forderung nach einer Mehrheitsregierung im Zentrum vertagen – und wurde als Chefin einer Minderheitenregierung geduldet, bis sie auf dem Höhepunkt der Coronakrise damit begann, die ihr von der Verfassung zugestandenen Befugnisse zu überschreiten und die anderen Parteien im Parlament zu übergehen. Um einem Misstrauensvotum im eigenen Lager zu entgehen, schrieb deshalb die sozialdemokratische Ministerpräsidentin vor einem guten Monat vorgezogene Neuwahlen aus.
Nun haben ihr die Wählerinnen und Wähler in Dänemark und in den autonom verwalteten früheren Kolonien Grönland und Färöer den Ball zurückgespielt, mit einer hauchdünnen rotgrünen Mehrheit, aber auch der Forderung, mit anderen Parteien im politischen Zentrum Sondierungsgespräche über eine mögliche Mehrheitsregierung aufzunehmen, welche das Land durch die aktuellen «struben» Zeiten und Krisen navigieren kann. Das kommt Frederiksen und ihrem Vorgänger Rasmussen gelegen.
Unselige Polarisierung soll überwunden werden
Sie müssen nun nicht nur mit Worten, sondern auch mit konkreten Taten beweisen, dass Wahlen nicht einfach Volksabstimmungen über zwei verschiedene Machtblöcke oder politische Richtungen sind, sondern auch ein fein austariertes Signal für den künftigen (Regierungs-)Kurs eines Landes. Gelingt den beiden Spitzenpolitikern der Schulterschluss, kann das nordische Königreich die unselige Polarisierung der letzten Jahrzehnte überwinden und zu zukunftsträchtigen Lösungen nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Europa und weltweit beitragen: in Fragen der Demokratie und Menschenrechte, des Klimaschutzes, der Sicherheitspolitik und des sozialen Ausgleiches.
Über einzelne umstrittene Sachfragen, in denen sich viele Parteien auch intern uneinig sind, können auch die Däninnen und Dänen sodann in Volksabstimmungen befinden, so wie sie dies in der Vergangenheit schon Dutzende Male getan haben: über Verfassungsänderungen und Europafragen.