Es ist Wahlkampf in Deutschland, und kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Enthüllungen über politisches Spitzenpersonal zutage kommen. Derzeit besonders im Kreuzfeuer steht Gesundheitsminister Jens Spahn. Spahn, der noch vor kurzem als politischer Nachwuchsstar galt und den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet zum persönlichen Sozius erkor, droht der politische Genickbruch.
Minderwertige Masken als «Geschenk» an Pflegeheime?
Es musste schnell gehen letzten Frühling. Hunderte Millionen von Masken bestellte das Gesundheitsministerium in aller Welt, manche davon überteuert und ohne die erforderliche EU-Zertifizierung.
Spahn hielt die Masken nach eigener, vereinfachter Prüfung trotzdem für tauglich. Sein Ministerium verteilte sie an Pflegeheime und plante, sie Obdachlosen und Behinderten zur Verfügung zu stellen. Besser als nichts, schien der Gedanke zu sein. Das SPD-geführte Arbeitsministerium lehnte den Plan wegen Sicherheitsbedenken ab.
CDU spricht von «Wahlkampfmanöver»
Am Wochenende machte der Spiegel den Plan öffentlich, nachdem bereits die Zeit über mangelhafte Masken berichtet hatte, die vom Gesundheitsministerium an Pflegeheime verteilt worden waren. Die SPD forderte daraufhin Spahns Rücktritt, die FDP einen Sonderermittler und nun gab es dazu eine Debatte im Bundestag, die es in sich hatte.
«Schäbig» seien die Vorwürfe, wehrte sich die CDU-Fraktion lauthals. Doch die Opposition legte offizielle Testresultate vor, die belegen, dass das Gesundheitsministerium tatsächlich minderwertige Masken verteilte und präsentierte zweifelhafte Verträge, die der Gesundheitsminister mit Maskenlieferanten geschlossen hatte.
Spahn selbst äusserte sich nicht, wies aber schon vor Tagen alle Vorwürfe zurück, schwor, die Masken seien einwandfrei gewesen und das ganze ein Wahlkampfmanöver, um ihn kaltzustellen. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet nahm Spahn in Schutz und selbst die Kanzlerin verteidigte ihren Minister. Zu viel steht für die Partei gerade auf dem Spiel.
Riskante Strategie
Doch Angriff als Verteidigungsstrategie ist in diesem Fall riskant. Die mutmasslich mangelhaften Masken sind im Umlauf und es gibt starke Hinweise, dass deren Qualität in mehreren Fällen tatsächlich unter den geltenden Sicherheitsstandards liegt. Die Vehemenz, mit der Spahn das Gegenteil behauptet, könnte ihm zum Verhängnis werden.
Es ist zudem nicht Spahns erster Patzer in der Pandemie: Seine Verordnung, die den Betrieb unzähliger Testzentren im Land regelt, lud regelrecht zum Betrug ein, mit gewaltigen finanziellen Folgen für die Steuerzahlerinnen und -zahler. Grossaufträge wurden zweifelhaft vergeben und vollmundige Ankündigungen des Ministers nicht eingehalten.
Spahns politische Zukunft infrage gestellt
Spahn habe als Gesundheitsminister mehrfach «versagt», sagte die FDP in der aktuellen Debatte im Bundestag, und lasse jegliche Selbstkritik vermissen. Zumindest trägt Spahn kaum zur Aufklärung der Affäre bei. Die Verunsicherung nach dieser Geschichte dürfte bei vielen gross sein.
So kurz vor der Bundestagswahl und noch immer mitten in der Pandemiebewältigung ist ein Rücktritt des Gesundheitsministers höchst unwahrscheinlich. Aber Spahns politische Zukunft ist infrage gestellt. Auf einen warmen Platz in einer möglichen Regierung von Armin Laschet sollte er nicht wetten.