Nicht schon wieder, habe er gedacht, erzählt uns Reiner Holznagel. Schon wieder bekommt es das Gesundheitsministerium nicht hin. Holznagel vertritt den Bund der Steuerzahler und nimmt selten ein Blatt vor den Mund, wenn es um staatliche Geldverschwendung geht. Doch was das Krisenmanagement der Regierung betrifft, scheint selbst er resigniert zu haben.
Der Datenschutz bietet ungeahnte Möglichkeiten
Es waren Journalisten (WDR, NDR, SZ), die aufdeckten, dass bei Coronatests offenbar betrogen wird – und nicht einmal besonders raffiniert. Jeder, der von einer Kommune per Online-Antrag als Tester zugelassen ist und eine kurze Schulung durchläuft, erhält quasi den Freipass. Hygiene, Arbeitsschutz, medizinisches Fachwissen? Wird kaum kontrolliert.
Auch die Abrechnung basiert vornehmlich auf Goodwill. Die Testzentren nehmen zwar Personalien auf von den Getesteten, dürfen diese aber aus Datenschutzgründen nicht an den Staat weiterleiten. Und so reichen statt überprüfbarer Belege selbst erstellte Strichlisten, um vom Staat Millionen und Abermillionen an Entschädigungen zu erhalten.
Die Bundesländer schlagen Alarm
Nicht nur, dass manche Betreiber das als Einladung verstehen, die Anzahl durchgeführter Tests aufzurunden – auch die Zuverlässigkeit von Tests, die möglicherweise Gelegenheitsjobber am «Corona-Bike» durchführen, darf bezweifelt werden.
In Nordrhein-Westfalen und Bayern ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die Bundesländer schlagen Alarm, eine Krisensitzung muss her. Ein grosser Betreiber von Dutzenden Testzentren soll angeblich bis zu zehnmal so viele Tests abgerechnet haben, wie er tatsächlich durchgeführt hatte.
Es wird munter abkassiert
CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn weist präventiv am Abend vor dem Treffen mit den Ländern jede Verantwortung von sich. Er könne schliesslich nicht aus Berlin heraus die Umsetzung seiner Verordnung vor Ort kontrollieren, postuliert er zur Primetime im deutschen Fernsehen.
SPD und Opposition hüsteln herum, die Regierung gründet eine Taskforce und kündigt weitere Kontrollen durch Finanz- und Gesundheitsämter an, diese wissen nicht, wie sie den bürokratischen Aufwand bewältigen sollen, und bis dahin ziehen Wochen ins Land, in denen munter abkassiert wird.
Und hier kehren wir zurück zu Reiner Holznagel und seiner larmoyanten Feststellung: nicht schon wieder. Diesmal war er es eine Verordnung, die offenbar keinerlei Kontrollen bei privaten Testzentren vorsieht, zuvor überteuerte Masken, undurchsichtige Vergaben und dubiose Spendendinner, ganz zu schweigen von manchen Unionspolitikern, die an der Krise schamlos mitverdienten.
Infrastruktur entstand zwangsläufig durch Wildwuchs
Spahn setzte bei den Testzentren einmal mehr darauf, dass die Bundesländer es schon richten würden. Dem war nicht so. Die nötige Infrastruktur für unbegrenzte und staatlich finanzierte Tests entstand zwangsläufig durch Wildwuchs.
Immerhin sollen Betreiber in Zukunft weniger Geld pro Test vom Staat rückvergütet bekommen. Bisher waren es 18 Euro, insgesamt fast 700 Millionen seit April, bald sollen es nur noch 12 sein. Um ins Geschäft mit Bürgertests einzusteigen, scheint der beste Moment wohl vorbei zu sein.