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International «Es ist eine Entscheidungs-Schlacht – auch für den Westen»

Der Kampf um die Grenzstadt Kobane geht weiter. Falls die Stadt in die Hände der Terrorgruppe Islamischer Staat fällt, so hätte das auch für den Westen Konsequenzen. Das sagt Türkei-Experte Hans-Lukas Kieser.

SRF: Die nordsyrische Stadt Kobane droht, in die Hände der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu fallen. Warum ist die Stadt so wichtig?

Hans-Lukas Kieser

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Legende: hist.net/kieser

Kieser ist ein Schweizer Historiker. Er forscht zur Geschichte der Türkei und den Beziehungen des Landes zu Europa und der Schweiz. Kieser ist Titularprofessor an der Uni Zürich, Co-Präsident der Forschungsstelle Schweiz-Türkei und Fellow des Australian Research Council. Er beschäftigt sich auch mit dem Völkermord an den Armeniern.

Hans-Lukas Kieser: Für die Kurden ist die Stadt bedeutend, weil sie der Hauptort des Kantons Kobane ist. Dabei muss man wissen, dass die Kurden ihr Autonomiegebiet – nach schweizerischem Vorbild – in drei Kantone aufgeteilt haben. Kobane ist aber nicht nur als Hauptort wichtig, sondern hat auch eine grosse symbolische Bedeutung: In Kobane und den anderen Kantonen haben die Kurden ein säkulare und egalitäre Gesellschaft aufgebaut. Eine Gesellschaft, die Nichtkurden einschliesst, und wo Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer. So etwas gibt es im ganzen Nahen Osten nicht.

Was ist die strategische Bedeutung der Stadt?

Da Kobane im Westen des kurdischen Gebiets liegt, ist die Stadt rein geografisch nicht zentral: Selbst wenn die Stadt in die Hände des IS fallen würde, bliebe die Verbindung zwischen den Gebieten der syrischen und der irakischen Kurden intakt. Dem IS hingegen würde die Einnahme von Kobane erlauben, bereits kontrollierte Gebiete zu verbinden. Zudem wäre es ein weiterer Schritt in seiner Strategie, die Kontrolle über ganz Nordsyrien und den Nordirak zu erlangen.

Warum tut der Westen nicht mehr, um den Fall der Stadt zu verhindern?

Das Problem ist, dass der Westen den Kurden keine schweren Waffen liefert. Das liegt einerseits an Logistikproblemen, vor allem aber an der Türkei. Diese will keine solche Lieferungen. Der Grund dafür ist, dass Ankara die PKK – die türkische Mutterpartei der syrischen Kurden – bisher als schlimmeren Widersacher als den IS betrachtet.

Auch im Westen gilt die PKK als Terrorgruppe.

Ja, weil der Westen – ausser etwa die Schweiz – diese Bezeichnung vom Nato-Partner Türkei übernommen und unkritisch beibehalten hat.

Wie wichtig ist Kobane für die Moral der kämpfenden Kurden?

Die umkämpfte Stadt ist ein gesamtkurdisches Symbol geworden: Die Kurden organisieren in ganz Europa Veranstaltungen zur Unterstützung der Kämpfer, sie sind auf allen Kanälen präsent und sprechen in Berlin und Brüssel vor. Sie haben die Schlacht mit Gallipolli oder Stalingrad verglichen. In anderen Worten: Es ist eine Entscheidungsschlacht – auch für den Westen.

Wie das?

Der Fall der Stadt müsste für den Westen ein Weckruf sein: Den Regierungen sollte klar sein, dass sie jetzt handeln müssen und nicht erst in einem Monat. Das heisst, dass man Entscheide fällt, die möglicherweise gegen scheinbare Interessen der Türkei verstossen, aber der Zukunft des Nahen Osten dienen.

Für die Kurden wiederum wäre der Fall von Kobane ein antitürkisches Mahnmal – ein Mahnmal für die zynische Politik einer Regierung, welche die Stadt trotz gegenteiliger Beteuerungen fallen lässt. Es würde bei den Kurden den Willen zur Unabhängigkeit verstärken.

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