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Eskalation verhindert Verletzte bei Kundgebungen in Chemnitz

  • Bei Zusammenstössen rechts- und linksgerichteter Demonstranten hat es in Chemnitz (D) nach Polizeiangaben sechs Verletzte gegeben.
  • Die rechte Szene hatte eine Kundgebung sowie eine Demonstration durch die Innenstadt beantragt. Mehr als 1000 Menschen hatten zuvor gegen rechte Gewalt demonstriert, nur wenige Meter vom rechten Lager entfernt.
  • Anlass der Proteste sind der gewaltsame Tod eines Deutschen und anschliessende Angriffe auf Ausländer bei einer Demonstration.

Polizeiautos vor Demonstranten
Legende: Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot im Einsatz. Keystone

Kundgebungsteilnehmer der beiden Versammlungslager hätten mit «Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen» geworfen, teilte die Polizei mit. Wegen mehrerer Vermummungen hielt die Polizei den Zug der rechten Bürgerbewegung Pro Chemnitz an, wie sie weiter mitteilte.

Beamte rückten den Angaben zufolge mit Wasserwerfern an. Einige Demonstranten sollen zudem «nach ersten Hinweisen» den Hitlergruss gezeigt haben. Mehrere hundert rechte Demonstranten standen hunderten linken Gegendemonstranten gegenüber, wie ein AFP-Fotograf beobachtete. Die Polizei wollte noch keine Angaben zu den Teilnehmerzahlen machen. Am Abend lösten sich beide Demonstrationen auf.

5000 «Pro-Chemnitz»-Demonstranten

Seit dem frühen Abend hatte die Polizei versucht, ein Aufeinanderprallen von rechten und linken Gruppen zu verhindern. Die rechte Szene hatte am Karl-Marx-Monument eine Kundgebung mit einem Aufzug durch die Innenstadt beantragt. Nach einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunk MDR nahmen an der Demonstration der rechten Bürgerbewegung Pro Chemnitz etwa 5000 Menschen teil.

Polizeigewerkschaft warnt vor Selbstjustiz

Box aufklappen Box zuklappen

Nach den Ausschreitungen in Chemnitz hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor zunehmender Selbstjustiz gewarnt. «Der Staat ist dafür da, mit Polizei und Justiz seine Bürger zu schützen», sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Wenn er das in den Augen vieler Bürger aber nicht mehr leisten kann, besteht die Gefahr, dass die Bürger das Recht selbst in die Hand nehmen und auf Bürgerwehren und Selbstjustiz bauen.»

Über die sozialen Medien könnten viele Menschen schnell mobilisiert werden. «Aus jeder Dorfschlägerei kann eine Hetzjagd werden.»

Laut GdP hat der Staat mit Schuld an dieser Entwicklung. Jahrelanger Stellenabbau bei der Polizei habe dazu geführt, dass alle Einsatzkräfte stets verplant seien. «Der Staat hat beim Thema Innere Sicherheit versagt, weil er massiv Personal abgebaut hat. Dieses Problem ist nicht schnell lösbar.»

Nach Ende der beiden Demonstrationen in Chemnitz räumte ein Polizeisprecher Personalmangel in den eigenen Reihen ein.

Gut eine Stunde vorher hatten mehr als 1000 Menschen gegen rechte Gewalt demonstriert. Nach dieser Kundgebung im Stadtpark von Chemnitz drängten Hunderte Demonstranten in Richtung der Kundgebung der rechten Szene auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Dort skandierten sie Parolen wie «Nationalismus raus aus den Köpfen» und «Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda».

Derweil hat die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden die Ermittlungen zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen vom Wochenende am Rande des Chemnitzer Stadtfestes übernommen. «Wir wollen die Ermittlungen konzentriert und beschleunigt führen, damit die mutmasslichen Täter schnellstmöglich vor Gericht gestellt werden können», sagte Generalstaatsanwalt Hans Strobl.

Deutscher bei Auseinandersetzung erstochen

Am Sonntag war es zu Hetzjagden auf Migranten gekommen, nachdem ein 35-jähriger Deutscher bei einer Auseinandersetzung tödlich verletzt worden war. Nach der Gewalttat hatte sich die Situation in Chemnitz hochgeschaukelt, auch befeuert durch Gerüchte in den sozialen Netzwerken.

Nach einer von der AfD organisierten Spontankundgebung mit rund 100 Teilnehmern zogen am Sonntagnachmittag dann rund 800 Menschen durch die Innenstadt. Dazu aufgerufen hatte eine rechtsextreme Hooligangruppe.

Wegen des tödlichen Angriffs auf den 35 Jahre alten Deutschen wurden am Montag Haftbefehle gegen einen Syrer und einen Iraker erlassen.

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