Die Länder der Europäischen Union umwerben in Brüssel 40 Staats- und Regierungschefs aus Afrika. Die Euphorie scheint auf Seiten der EU grösser zu sein als bei den Mitgliedern der Afrikanischen Union.
Kein steifer EU-Afrika-Gipfel
Nun konnte es endlich stattfinden, das sechste Treffen zwischen 27 EU-Staats- und Regierungschefs und 40 Regierungsvertretern der Afrikanischen Union (AU). Die Corona-Pandemie verzögerte alles. Es soll ein Neuanfang sein. Ein ungewöhnliches Format des zweitägigen Treffens soll das unterstreichen.
Geplant ist kein steifes Gipfeltreffen. Der EU-Afrika-Gipfel soll eher eine Ideen-Börse unter Exekutiv-Politikerinnen und Politikern sein. An grossen Thementischen, gemeinsam präsidiert von europäischen und afrikanischen Regierungschefs, sollen angeregte Diskussion unter den Teilnehmenden möglich sein.
Migration, wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur, Energie, Klimawandel, Sicherheitsfragen, Bildung, Gesundheit – die Inhaltsvorgaben für die Gespräche sind weniger ungewöhnlich. Das liegt an der Vorgeschichte.
Eine vorbelastete Beziehung
Die politischen Beziehungen zwischen dem europäischen Kontinent und Afrika sind kompliziert, historisch natürlich enorm vorbelastet, ambivalent. Die EU und die EU-Mitgliedsländer sind in Afrika sehr präsent und gleichzeitig abwesend. Das ist paradox.
Die EU ist der wichtigste Handelspartner der AU, wichtiger als China, Russland oder die USA. Das Problem ist, dass sich Europa unter Wert verkauft. Das soll sich nun ändern. Darum lancierte die EU die «Global Gateway Initiative», ihr Gegenprojekt zu Chinas massiven Infrastruktur-Investitionen auf dem Kontinent.
Klappt es dieses Mal besser?
150 Milliarden Euro wollen die EU und ihre Mitgliedsländer in den nächsten Jahren für Schienen, Strassen, Brücken, Häfen oder Telekommunikationsnetze in Afrika ausgeben. Die sonnenreichen afrikanischen Staaten sollen zudem Partner der europäischen Klima- und Energiepolitik werden und, wo möglich, grünen Wasserstoff herstellen.
Das ist alles sinnvoll. Niemand hält das für falsch. Alle unterstreichen, dass die Zeit drängt, mehr Kooperationen einzugehen. Niemand kann jedoch erklären, warum diese Charme-Offensive Europas so spät kommt. Und niemand kann plausible Gründe nennen, warum es diesmal besser kommt als in der Vergangenheit, als ähnliche Versprechen gemacht wurden.
EU hat Probleme mit der Glaubwürdigkeit
Die EU hat in Afrika ein grosses Problem. Es ist die Glaubwürdigkeit. Die Corona-Pandemie ist exemplarisch für diese verpasste Chance. Zwei Jahre Zeit hatte die EU, eine rasche und sichere Verteilung von Impfdosen in Afrika zu organisieren.
Doch sie hat bloss 145 Millionen Impfdosen geliefert. Elf Prozent der Menschen in Afrika sind gegen das Coronavirus geimpft. Millionen überflüssige Impfdosen vergammeln in den EU-Mitgliedsstaaten. Das ist natürlich etwas stark vereinfachend. Aber irgendwie ist es trotzdem typisch Europa.