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EU und Partnerstaaten in Prag Darum geht es bei der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft

Die EU trifft sich erstmals mit ihren Partnerländern. Zur neuen Plattform des Austausches gehört auch die Schweiz. Insgesamt sind 44 Länder eingeladen.

Worum geht es? Am Donnerstag treffen sich 44 Staats- und Regierungschefs aus 44 Ländern. Auch die Schweiz ist mit Bundespräsident Ignazio Cassis vertreten. Die Idee für die politische Gemeinschaft hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Mai lanciert. Organisiert wird das Treffen von Tschechien, welches die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sowie dem Präsidium der Staats- und Regierungschefs der EU.

Was soll das Format bewirken? Die EU-Staaten wollen sich europapolitisch stärker verbinden. Sie wollen auch Nicht-EU-Mitglieder in einen regelmässigen politischen Dialog einbinden. Weiter soll das neue Format ein Signal in Richtung Moskau senden. Das konkrete Ziel ist noch nicht klar.

Drei EU-Flaggen wehen im Wind.
Legende: Die Organisatoren waren in den letzten Wochen bemüht darum, das Format nicht als EU-plus-Format erscheinen zu lassen. «Auch wenn es dies de facto natürlich ist», schätzt SRF-EU-Korrespondent Charles Liebherr ein. Reuters/Yves Herman

Was sind die aktuellen Themen? Ausschlaggebend für das Treffen ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen vorbehaltenen Öl- und Gaslieferungen an die EU. Im Fokus stehen Sicherheitsfragen und Energiepolitik. Die Europäische Politische Gemeinschaft soll inhaltlich breit ausgelegt sein. Auch Infrastruktur, Verkehr und Migration werden von anderen Staaten als mögliche Kooperationsbereiche genannt.

Welche Länder sind eingeladen? 27 EU-Staaten sowie 17 weitere nehmen am neuen Format teil. Gesetzt waren die EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz). Dazu kommen die EU-Beitrittskandidaten, die Balkanstaaten, Ukraine und Moldawien. Ebenfalls eine enge Bindung zur EU haben beispielsweise die Türkei und das Vereinigte Königreich. Zu weiteren eingeladenen Staaten sei die Verbindung dann etwas loser, erklärt SRF-EU-Korrespondent Charles Liebherr: Georgien, Armenien oder Aserbaidschan. «Es ging sicher mal darum, beim ersten Treffen niemanden auszuschliessen und vor den Kopf zu stossen. Es ist noch unklar, ob der Kreis so weit bleibt.»

Ist das Treffen ein Bündnis gegen Russland und Belarus? «Es war sicher ein wichtiger Hintergedanke, eine Gemeinschaft in Abgrenzung zu Russland und Belarus zu stärken», sagt Liebherr. Dennoch sei es keine klare Abgrenzung. Denn der Kreis der teilnehmenden Staaten ist breit. Die Türkei beispielsweise sucht eine aktive Mittlerrolle zwischen Russland und der Ukraine. Ungarn sperrt sich innerhalb der EU gegen einen zu harten Kurs gegen Russland. Und Serbien gibt sich klar prorussisch.

Preise einer Tankstelle
Legende: Europäische Gesamtperspektive: Beim ersten Treffen geht es klar um den Krieg in der Ukraine. Und um die Frage, wie die Energiekrise besser zu bewältigen wäre. Reuters/Arnd Wiegmann

Was ist aus Schweizer Sicht zu erwarten? Dieses Treffen ist interessant für die Schweiz, auch was die Schweizer Aussenpolitik betrifft. Klärend in Bezug auf die Beziehungen der Schweiz zur EU könne die Europäische Politische Gemeinschaft aber nicht sein, so Charles Liebherr. «Das wäre das falsche Format. Diese Plattform ist breiter und thematisch offener. Im besten Fall nutzt Bundesrat Cassis den Tag, um ein paar Botschaften in Bezug auf die Beziehungen der Schweiz zur EU bei Premiers von EU-Staaten anzubringen.»

Was bringt die Gemeinschaft? Die Delegationen haben die Initiative im Vorfeld positiv bewertet. Ob ein Konsens darüber entstehen wird, dass diese Kooperation nützlich ist, wird erst noch entschieden. Das hängt von der Beurteilung des Mehrwerts für die einzelnen Staaten ab. «Dafür wird es noch zwei oder drei Treffen mehr brauchen. In Zukunft muss es schon etwas strukturierter, verbindlicher und auch verpflichtender für die teilnehmenden Staaten ablaufen», betont der Korrespondent. Wenn alles so vage und offen bleibt, wie in der Vorbereitung dieses ersten Treffens, sieht Liebherr kaum Bestand für diese Idee.

Parkplatz für die ewigen EU-Kandidaten?

Box aufklappen Box zuklappen

Kritiker sprechen von einem Warteraum oder einem Parkplatz für die ewigen EU-Kandidaten. «Diese offen ausgesprochene Befürchtung hat vor allem etwas mit dem Urheber des Gedankens zu tun», schätzt EU-Korrespondent Charles Liebherr ein, «mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.»

Im Fall der Balkanländer hat dieser lange Zeit Fortschritte in Richtung Beitrittsverhandlungen blockiert. Macron verlangt auch eine Anpassung beim Beitrittsprozess. «Im Moment geben sich alle Länder Mühe, zu betonen, dass diese Plattform offen sein soll.» Und dass sie eben nicht als ewiger Vorhof gelten oder gar andere Organisationen oder Prozesse überflüssig machen soll. «Ob das stimmt, wissen wir erst in ein paar Jahren.»

SRF 4 News, 06.10.2022, 06:19 Uhr ; 

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