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Europäische Stahlbranche EU-Kommission schlägt verschärfte Schutzmassnahmen auf Stahl vor

  • Die EU-Kommission hat eine Ausweitung der EU-Zölle auf Stahl vorgeschlagen.
  • Künftig soll nur noch halb so viel Stahl zollfrei auf den EU-Markt gelangen wie bislang.
  • Darüber hinaus soll doppelt so hoher Zoll fällig werden.
  • Die Massnahmen, die im Juni 2026 in Kraft treten sollen, betreffen auch die Schweiz.

Zuerst meldete EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné im Onlinedienst X die Pläne.

Die Europäische Kommission stellte später die Details vor: Demnach sollen in der EU künftig jährlich noch 18.3 Millionen Tonnen Stahl zollfrei importiert werden können. Damit würden die heutigen zollfreien Mengen von insgesamt 30.5 Millionen Tonnen um 47 Prozent reduziert.

Zusätzlich schlägt die Brüsseler Behörde vor, Stahlimporte ausserhalb der Kontingente mit einem 50-Prozent-Zollsatz zu belegen. Derzeit liegt dieser Zollsatz bei 25 Prozent.

Die Kommission will mit den Massnahmen die Stahlindustrie in der EU vor weltweiten Stahlüberkapazitäten schützen. Gemäss eigenen Angaben betragen diese derzeit 620 Millionen Tonnen und würden zunehmen. Nach Ansicht der Kommission sind die Massnahmen mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform. Der Kommissionsvorschlag soll die bestehenden Schutzmassnahmen, die Ende Juni 2026 auslaufen, ersetzen.

Keine Ausnahme für die Schweiz

Die neuen Regeln sollen weltweit gelten und länderspezifische Kontingente seien derzeit nicht vorgesehen, wie ein EU-Beamter in Brüssel sagte. Ausnahmen gebe es für die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) – Norwegen, Island und Liechtenstein – sowie Beitrittskandidaten, die sich in einer «aussergewöhnlichen und unmittelbaren Sicherheitslage» befänden – sprich die Ukraine.

SRF-Korrespondent: «Mit der Planungssicherheit ist es vorbei»

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«Die Hoffnung auf Ausnahmen war vergebens. Die Schweiz wird bei den Stahlzöllen gleichbehandelt wie alle anderen Nicht-EWR-Staaten auch. Zwar lässt die EU die Türen offen für Gespräche und Verhandlungen in den kommenden Monaten. Aber irgendetwas versprechen will und kann hier in Brüssel niemand. Für die Schweizer Stahlbranche heisst das: Mit der Planungssicherheit ist es vorbei: nicht nur im Handel mit den USA, sondern auch im Handel mit der EU.»

Andreas Reich, SRF-Korrespondent in Brüssel

Die EWR-Staaten seien aufgrund ihrer «engen und einzigartigen» Integration ausgenommen. Für die Schweiz gelte dies nicht, da sie nicht das gleiche Niveau an Integration wie die Staaten des EWR erreiche, sagte der Beamte.

Schweizer Stahl-Verbände sind besorgt

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Die angekündigten Massnahmen der Europäischen Kommission auf Stahl kommen gemäss dem Dachverband Metal Suisse ohne länderspezifische Kontingente für die Schweizer Produzenten einem Exportverbot gleich. Auch der Maschinen- und Metallverband Swissmem nimmt die Ankündigung mit Sorge zur Kenntnis. Swissmem erwarte nun, dass die Schweiz von der EU zumindest angemessene länderspezifische Kontingente erhalte, sagte ein Sprecher des Verbands der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage. Das Ziel bleibe, dass die Schweiz von den geplanten Massnahmen ausgenommen werde.

Mit Kontingenten in der Grösse wie bis anhin oder nur minim reduziert, würden sich die Folgen für die Schweizer Stahlindustrie in Grenzen halten. Wenn nicht, würde ein weiterer Teil des europäischen Stahlmarktes für Schweizer Firmen wegbrechen, wie der Sprecher weiter sagte. Der Zoll von 50 Prozent, der nach dem Ausschöpfen des zollfreien Kontingentes anfallen wird, sei dabei irrelevant. Gemäss Swissmem hätten Exporteure schon beim heutigen Zoll von 25 Prozent auf dem EU-Markt keine Chancen mehr.

Auch der Dachverband des Werkstoffkreislaufs Metalle «Metal Suisse» hofft auf einen konstruktiven Dialog zwischen den schweizerischen und europäischen Behörden, wie sein Geschäftsführer, Andreas Steffes, auf Anfrage sagte. Ohne eine Lösung werde eine Produktion in der Schweiz «undenkbar». Ohne länderspezifische Quote würde das Prinzip «first come, first serve» gelten. Dieses sei für die Schweizer Recyclingwerke keine Option, da jeweils nur Stahl produziert werde, wenn es auch Bedarf gebe. Daher tragen aus Sicht von Metal Suisse die Schweizer Werke nicht zum Problem der weltweiten Überproduktion bei, gegen welches sich die EU schützen möchte.

Unter den heutigen Schutzmassnahmen profitieren Schweizer Stahlproduzenten für spezifische Stahlprodukte von Kontingenten. Diese gewährte die EU-Kommission der Schweiz nach Verhandlungen mit dem Bund.

EU-Kommission zeigt sich offen für Verhandlungen

Die Brüsseler Behörde verzichtete diesmal auf länderspezifische Kontingente. Ihrer Ansicht nach besteht ein globales Problem, welches eine globale Lösung erfordert. Deshalb wolle sie «so rasch wie möglich» mit gleichgesinnten Wirtschaftspartnern Gespräche aufnehmen, um Lösungen zu finden, sagte der Beamte weiter. Es bestehe aber keine Garantie, dass etablierte Handelsströme erhalten bleiben.

Mann in roten Arbeitskleidern und mit Helm geht an Maschinen und glühendem Stal vorbei.
Legende: Brüssel will die europäische Stahlindustrie so vor der billigeren Konkurrenz aus China schützen. KEYSTONE/DPA/Philipp von Ditfurth

Der Vorschlag der Kommission werde nun dem Rat der EU, in welchem die Mitgliedstaaten vertreten sind, und dem Europäischen Parlament unterbreitet. Die neuen Handelshürden sollen spätestens im Sommer 2026 in Kraft treten und die heutigen Schutzmassnahmen ersetzen.

An Zeichen an Donald Trump

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Der mit weitem Abstand meiste Stahl weltweit wird in China produziert. Mit den neuen Zöllen würde sich die EU – die eigentlich immer wieder lautstark auf einen möglichst barrierefreien Welthandel pocht – auch stärker gegen Importe aus Fernost abschotten. Damit kann sich der Staatenverbund als Verbündeter von US-Präsident Donald Trump im Kampf gegen Chinas Exportüberschuss präsentieren. 

Letztere gelten seit dem Juni 2018 und wurde als Reaktion auf die damaligen US-Zölle auf Stahl und Aluminium eingeführt. Die EU-Schutzmassnahmen wurden mehrmals verlängert. Allerdings dürfen sie gemäss WTO-Regeln nicht über acht Jahre hinweg gelten.

SRF 4 News, 7.10.2025, 17:00 Uhr ; 

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