Mike Pompeo war US-Aussenminister in der ersten Amtszeit von Präsident Trump. Vor seinem Auftritt am Industrietag von Swissmem in Bern spricht Pompeo mit SRF über die Unruhen in seiner Heimat und den schwindenden Einfluss der USA in der Welt.
SRF News: Präsident Trump sagt, er müsse Truppen nach Los Angeles schicken, sonst werde der Ort «niedergebrannt». Aber geht es nicht vielmehr um den Machtkampf zwischen ihm und Gavin Newsom, dem Gouverneur von Kalifornien?
Mike Pompeo: Nein. Ich bin in Südkalifornien aufgewachsen, ich erinnere mich an die Rodney-King-Unruhen. Ich habe gesehen, was in den letzten Tagen passiert ist. Solche Gewalt setzt Menschenleben aufs Spiel. Präsident Trump setzt zu Recht die Mittel ein, die ihm zur Verfügung stehen, um Frieden zu schaffen. Ich hoffe, das gelingt.
Für diese Gewalt sind die Menschen verantwortlich, die sie ausüben.
Die Unruhen in L.A. scheinen das polarisierte politische Klima in den USA zu widerspiegeln. Inwiefern ist die Republikanische Partei unter Trump mitverantwortlich dafür?
Um Gottes Willen, in keiner Weise! Für diese Gewalt sind die Menschen verantwortlich, die sie ausüben. Punkt, aus, Ende.
Es gibt also keine Verantwortung politischer Akteure für das zunehmend angespannte politische Klima in den USA?
Diese Leute haben Fahrzeuge angezündet und Bundespolizisten angegriffen. Es geht nicht um Politik, um Rechtsstaat. Grund für diese Krawalle ist die Tatsache, dass manchen die Durchsetzung der US-Einwanderungsgesetze nicht gefällt. Statt friedlich zu protestieren, haben sie beschlossen, Dinge anzuzünden. Doch mit dieser Durchsetzung hatte Präsident Trump im Wahlkampf geworben.
Reden wir über internationale Politik. Präsident Trump verärgert Freunde und Verbündete: von Kanada über Grönland und Deutschland bis zur Ukraine. Zerstört er damit nicht die eigentliche Machtbasis der USA: ihre Bündnisse?
Diese Bündnisse sind sehr wichtig. Es gibt sie schon lange, und es wird sie noch lange geben. Präsident Trump versucht sicherzustellen, dass unsere Partner Massnahmen ergreifen, um sich selbst zu schützen und auch gute Partner für die USA zu sein. Das scheint mir vernünftig. Manchmal drückt er sich anders aus, als ich das tun würde. Manchmal ist seine Herangehensweise speziell. Davon sollten Sie sich aber nicht täuschen lassen.
Die ganze Welt wendet sich immer noch den USA zu, wenn sie Führung braucht.
Die USA schaffen es nicht, in der Ukraine oder im Nahen Osten Frieden zu schaffen. Zeigt das nicht, wie dramatisch der weltweite Einfluss der USA schrumpft?
Ganz und gar nicht! Die ganze Welt wendet sich immer noch den USA zu, wenn sie Führung braucht. Das wird wahrscheinlich noch lange so bleiben. Dass es in Israel keinen Frieden gibt, liegt am Iran und an der Hamas. Dass es in Europa keinen Frieden gibt, liegt an Putin. Niemand sonst ist verantwortlich.
Aber früher hatten die USA mehr Einfluss.
Wir haben Einfluss. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung herbeiführen werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir heute näher an einer Lösung sind als vor neun Monaten oder vor sechs Monaten.
Heute lehren Sie an der Columbia-Universität in New York. Wie hat sich Ihr Blick auf die Weltpolitik verändert?
Du meine Güte! Er hat sich in den ganzen vergangenen zehn Jahren verändert. Ich habe akzeptiert, dass die Institutionen, die der Welt in der Zeit nach dem Kalten Krieg gut gedient haben, grösstenteils kaputt sind. Die Welthandelsorganisation, die UNO, der Internationale Strafgerichtshof – all diese Institutionen sind kaputt. Lange Zeit dachte ich, dass sie reparabel sind, dass man sie reformieren kann. Daran glaube ich nicht mehr.
Das Interview führte Sebastian Ramspeck.