Zum Inhalt springen

Header

Audio
Alabama führt Todesstrafe mit Stickstoff aus
Aus SRF 4 News aktuell vom 23.01.2024. Bild: Keystone/ AP
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 29 Sekunden.
Inhalt

Exekution in den USA Alabama will Mann mit Stickstoff hinrichten – das steckt dahinter

In Alabama soll am Donnerstag erstmals ein Häftling mittels Stickstoff hingerichtet werden. Diese Methode könnte qualvoll sein. Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen warnen: Es könnte sich um Folter handeln.

Wer soll mit Stickstoff hingerichtet werden? Ein heute 58-Jähriger, der sich im März 1988 für 1000 Dollar auf einen Auftragsmord eingelassen hatte, soll mittels Stickstoff exekutiert werden. Eigentlich sollte der Mann bereits im Jahr 2022 hingerichtet werden. Die Exekution mittels Giftspritze scheiterte jedoch. Dem Gefängnispersonal gelang es damals nicht, die Kanüle in seinen Arm zu legen. Nun soll es beim zweiten Hinrichtungsversuch klappen. Diesmal mit dem erstmaligen Einsatz von Stickstoff.

Warum wird in Alabama auf eine neue Methode der Hinrichtung gesetzt? Noch nie wurde in den USA – und vermutlich sogar weltweit – jemand mittels Stickstoffhypoxie hingerichtet. Das soll sich am Donnerstag ändern. Laut Patrick Walder, Kampagnenleiter der Schweizer Sektion von Amnesty International, liegt ein Grund dafür bei der Pharmaindustrie in Europa: «Sie wollen ihre Produkte nicht für Hinrichtungen in den USA zur Verfügung stellen. Deshalb versuchen die US-Behörden, Alternativen zu finden.»

Medizinisches Fachpersonal boykottiert Hinrichtungen

Box aufklappen Box zuklappen

Weil die US-Standesvertretung von Ärzten und Pflegepersonal ihren rund 270'000 Mitgliedern das Mitwirken an Hinrichtungen untersagt, werden sie mitunter nicht von ausreichend geschultem Fachpersonal durchgeführt. Das schreibt die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Auch viele Pharmaunternehmen möchten laut Keystone-SDA nichts mit den Hinrichtungen zu tun haben: Sie blockieren den Einsatz ihrer Medikamente oder das für die Injektion benötigte Equipment. Bundesstaaten können Engpässe und Zulassungsfragen aber umgehen, indem sie die Giftcocktails über sogenannte Compounding Pharmacies beziehen. Diese werden nicht auf Bundesebene reguliert – und machten in der Vergangenheit etwa wegen fehlender Hygiene Schlagzeilen.

Wie funktioniert die Todesstrafe mittels Stickstoff? Bei der ungetesteten Prozedur bekommt eine Person über eine Gesichtsmaske Stickstoff zugeführt. Die Folge ist der Tod durch Sauerstoffmangel. Innerhalb einer 30-stündigen Zeitspanne von Donnerstag auf Freitag soll der heute 58-Jährige so sterben. 2022 war seine Exekution mit der Giftspritze gescheitert. Vieles ist nicht klar. «Man weiss nicht, wie lange die Hinrichtung dauert, wie lange der Gefangene leiden muss», erklärt Patrick Walder. Unklar ist, ob die Methode schmerzfrei ist.

Ein Tisch, an den man die Person fesseln kann steht in einem sonst leeren Raum.
Legende: Alabamas Kammer für tödliche Injektionen in der Holman Correctional Facility in Atmore. (Bild aus dem Jahr 2002) Keystone/AP Photo/File

Was sagen Menschenrechtsaktivisten? Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen und Amnesty International warnen, es könnte sich um Folter handeln. Dafür, dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, fehlen nach UNO-Angaben wissenschaftliche Beweise. «Es handelt sich um einen Menschenversuch. Das ist ethisch höchst problematisch», mahnt Patrick Walder.

Wie wird die Todesstrafe andernorts durchgeführt? Die zugelassenen Methoden variieren. In mehreren Bundesstaaten gibt es die Hinrichtung in der Gaskammer oder durch ein Erschiessungskommando – sie kamen in den vergangenen Jahren aber gar nicht zum Einsatz. Zugelassen und vollzogen wurden in den letzten Jahren auch mehrere Hinrichtungen auf dem Elektrischen Stuhl. Die mit Abstand am häufigsten angewandte Methode ist die Exekution mit der Giftspritze. Hypoxie ist neben Alabama sonst nur in Oklahoma und Mississippi erlaubt, wurde bislang aber noch nie in den USA eingesetzt.

Könnte die Hinrichtung noch gestoppt werden? Aufhalten könnte die Exekution noch per Erlass die republikanische Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey. Das halten Beobachter aber für unwahrscheinlich.

Wie ist die Stimmung in den USA gegenüber der Todesstrafe? Eine knappe Mehrheit in den USA unterstützt weiterhin die Todesstrafe für Mörder. Tendenz sinkend. Die Gründe: Das Bewusstsein für Justizirrtümer wächst, und die Diskriminierung im US-Strafjustizsystem ist ein weiterer Aspekt, der viele zur Ablehnung bewegt. So zeigen etliche Studien, dass Mörder von weissen Menschen eher zum Tode verurteilt werden als jene, die schwarze Menschen umgebracht haben.

Korrekturhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Der Absatz «Wie wird die Todesstrafe andernorts durchgeführt?» wurde aufgrund einer geänderten Agenturmeldung überarbeitet und stellt klar, dass mehrere zugelassene Hinrichtungsmethoden in den vergangenen Jahren gar nicht zum Einsatz kamen.

Auch stand im Absatz «Wie funktioniert die Todesstrafe mittels Stickstoff?», dass diese laut Patrick Walder zu einem qualvollen Erstickungstod führt. Da sich Experten uneinig sind, inwiefern die Methode Schmerzen oder Erstickungswarnzeichen verursacht, wurde dieser Satz mit «Unklar ist, ob die Methode schmerzfrei ist» ersetzt.

SRF 4 News, 23.1.2024, 16:16 Uhr;

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel