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Fall der letzten Bastion Das «Kalifat» ist zu Ende – der IS nicht

Nach den Tweets von US-Präsident Trump hat nun auch der Oberkommandant der SDF, der kurdisch geführten «Syrian Democratic Forces», das Ende des vom IS ausgerufenen «Kalifats» verkündet. Nach wochenlangem Kampf ist mit dem syrischen Ort Baghus der letzte Rückzugsort der Terrororganisation «Islamischer Staat» gefallen.

IS geht in den Untergrund

Dass dieses «Kalifat» so schnell wieder untergehen würde, wie es 2014 entstanden war, war seit längerem klar. Seit der Rückeroberung von Mossul durch die von einer internationalen Koalition unterstützten irakischen Truppen war die militärische Niederlage des IS vorgezeichnet, mit dem Fall von Rakka, dem Hauptort des IS, war sie auch in Syrien besiegelt.

Das wusste auch der IS selbst – und er hat die Zeit, die seither vergangen ist, genutzt. Der IS hat noch während der Schlacht um Mossul begonnen, sich zurückzuverwandeln in das, was er vor dem Grosswerden war: eine aufständische Untergrundbewegung.

Täglich Anschläge in Nordirak

Der IS hat sein Geld beiseite geschafft. Obwohl viele seiner Kader tot sind oder auf der Flucht, hat er es geschafft, eine neue Führungsebene zu schaffen. Und viele seiner Kämpfer haben sich unter die normale Bevölkerung gemischt und harren der Dinge, die kommen werden.

Damit ist der IS beispielsweise im Nordirak bereits wieder fähig, täglich Anschläge durchzuführen, Gegner zu entführen, oder die Bevölkerung einzuschüchtern. In West-Mossul tauchte kürzlich zum ersten Mal seit der Niederlage wieder die Flagge des IS auf – wenn auch nur für einige Stunden. Selbst im syrischen Hinterland ist der IS fähig, nachts Strassensperren zu errichten oder Propaganda-Flugblätter zu streuen.

Drohender Rückzug der USA

Dass der Vormarsch der kurdisch geführten SDF zuletzt langsamer vonstatten ging als erwartet, deutet bereits auf die Möglichkeiten hin, die der IS in Syrien haben wird. Die SDF hatte sich zuletzt militärisch stark überdehnt. Ihr Kerngebiet ist Rojava, die kurdisch dominiere Region in Nordost-Syrien.

In Rakka und hinunter nach Baghus dominieren aber arabische Stämme, die SDF kämpften in für sie fremdem Terrain, und Kämpfer des IS konnte sich relativ einfach unter die lokale Bevölkerung mischen oder Schläferzellen bilden.

Der angekündigte Rückzug der USA wird die Unsicherheit in Nordost-Syrien noch markant vergrössern. Syrien wird auf Jahre hinaus instabil, chaotisch und unsicher sein. Das ist der ideale Nährboden, auf dem der IS oder eine wie auch immer genannte Nachfolgeorganisation gedeihen kann.

Nährboden auch im Irak

Im Irak sieht es nicht viel besser aus. Die Bruchstellen des Irak mit seinen ethnischen und religiösen Konflikten sind weit von einer Lösung entfernt. Der IS wird sich darin einrichten – und auf seine nächste Chance warten. Wenn sich die sozio-ökonomischen Bedingungen für die Bevölkerung nicht schnell verbessern, kommt diese schneller als ein Tweet von Donald Trump.

Pascal Weber

Nahost-Korrespondent, SRF

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Seit 1999 arbeitet Weber für SRF. Als Redaktor und Produzent war er zunächst in der Sportredaktion tätig, danach bei «10vor10». Seit September 2010 ist er Korrespondent im Nahen Osten. Folgen Sie ihm auf Twitter .

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