Die UNO hat Geldprobleme. Dies liegt nicht nur an den USA, die ihre Pflichtbeiträge nicht bezahlen und zusätzliche freiwillige Hilfsgelder streichen. Auch China hat letztes Jahr seinen Beitrag statt im Januar erst im Dezember bezahlt. Ob da eine politische Absicht dahintersteckt, sagt Politikwissenschaftler Manuel Fröhlich.
SRF News: Was bedeutet es für die UNO, wenn China zu spät bezahlt?
China ist der zweitgrösste Beitragszahler, der so darauf verzichtet, die 20 Prozent zum regulären Haushalt zu bezahlen. Das ist ein Fünftel des Gesamtbudgets, der über das Jahr hinweg in den laufenden Operationen der Weltorganisation nicht zur Verfügung steht. Das führt zu einer erheblichen Liquiditätskrise. Die Vereinten Nationen sind so nicht in der Lage, die Rechnungen und die Gehälter zu bezahlen.
Wenn ein Akteur in einer internationalen Organisation mit Geldmitteln noch Druck ausüben kann, führt das zu Rücksichtnahme auf diesen Staat.
Gibt es Gründe, warum China die mehreren 100 Millionen Dollar nicht bezahlt?
China – wie auch andere Länder – sagt, dass unterschiedliche politische Systeme und unterschiedliche Finanzverwaltungen unterschiedliche Haushaltsjahre haben, die nicht notwendigerweise mit dem Kalenderjahr zusammenfallen. Das ist sozusagen ein formeller Hinweis, der von chinesischer Seite hin und wieder aktiviert wurde.
Später bezahltes Geld, das nicht ausgegeben wird, wird in Teilen noch auf die Zahlung im nächsten Jahr angerechnet.
In einem politischen Sinne würde man sagen: Wenn ein Akteur in einer internationalen Organisation mit Geldmitteln noch Druck ausüben kann, führt das zu Rücksichtnahme auf diesen Staat. Später bezahltes Geld, das nicht ausgegeben wird, wird in Teilen auch noch auf die Zahlung im nächsten Jahr angerechnet, weil ja dann das von diesem Land geleistete Geld noch gar nicht verausgabt wurde. In der Tendenz werden die Säumigen somit belohnt, das ist eine Marotte des UNO-Systems.
Im Gegensatz zu den USA will China in der UNO eine Rolle spielen. Kann man davon ausgehen, dass das Geld noch kommt?
Ja, ich würde stark davon ausgehen, dass es noch bezahlt wird. Denn das stand in der politischen Kommunikation der Volksrepublik China immer als grosser Punkt auf der Agenda: Wir bezahlen unsere Beiträge. Gleichzeitig ist China einer der grössten Kritiker der Vereinigten Staaten. Jetzt haben nicht nur das UNO-Sekretariat, sondern auch andere Mitgliedsstaaten darauf hingewiesen, dass die eigentliche Norm, vollständig und pünktlich zu bezahlen, auch von China mehrfach infrage gestellt worden ist.
Damit hat man die Ambivalenz, dass China sich selbst gerne als besonders verantwortliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft darstellt. Allerdings werden diese Zahlungen nicht so zur Verfügung gestellt, dass die Vereinten Nationen verlässlich damit planen könnten. Auch relativiert sich Chinas Position dadurch, dass China im Gegensatz zu anderen grossen Beitragsländern wenige freiwillige Zahlungen darüber hinaus in das System der Vereinten Nationen gibt. Das ist eine Sonderheit des chinesischen Engagements und zeigt, dass dessen Position nicht so eindeutig ist, wie man das von einem selbsterklärten, ja sozusagen Musterschüler eines neuen Multilateralismus erwarten würde.
Das Gespräch führte Martina Koch.