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USAID-Gelder gestoppt Welche Folgen haben die versiegenden Hilfsgelder?

Mehrere Staaten streichen Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit. Das bringt Hilfsprojekte abrupt zum Stillstand: zum Beispiel in Bangladesch oder in Äthiopien.

Die Schweiz, die USA, andere Länder und auch UNO-Organisationen sparen Geld bei der Entwicklungszusammenarbeit. Schweizer Hilfswerke beziffern die finanziellen Ausfälle auf rund 100 Millionen Franken für dieses Jahr. Das hat Auswirkungen, beispielsweise in Äthiopien und Bangladesch.

Hilfswerke in Nöten: das Ausmass in der Schweiz

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  • Schweizer Hilfswerke müssen mit weniger Geld auskommen. Gemäss einer Umfrage von Alliance Sud haben sie in diesem Jahr rund 100 Millionen Franken weniger zur Verfügung. Die Hilfswerke gehen von weiteren Kürzungen aus.
  • Bisher mussten bei verschiedenen Hilfswerken rund 1000 Angestellte entlassen werden. Das sei erst der Anfang, sagt Alliance Sud.
  • Überall auf der Welt seien schon Hilfsprojekte reduziert oder eingestellt worden. Alliance Sud geht davon aus, dass schon jetzt rund 3.5 Millionen Menschen nicht mehr erreicht werden können. Das seien zum Teil Flüchtlinge, die keinen Zugang mehr zu Essenslieferungen, Wasser und medizinischer Hilfe hätten.

Bangladesch: keine Ausbildung, kein Einkommen

Helvetas führte in Bangladesch ein Berufsbildungsprojekt durch in Zusammenarbeit mit lokalen Lebensmittelfabriken. Männer und Frauen wurden in der Produktion von Snacks, Frühlingsrollen oder Fladenbroten ausgebildet. So gelangten sie zu einer festen Anstellung und zu einem monatlichen Einkommen.

Unsere Mitarbeitenden vor Ort konnten wir noch einen Monat beschäftigen, dann mussten wir sie gehen lassen.
Autor: Jürg Merz Koordinator Helvetas für Bangladesch und Laos

Dieses Berufsbildungsprojekt lief bereits zweieinhalb Jahre. Insgesamt waren dafür 4.8 Millionen Franken vorgesehen, die Hälfte kam von USAID.

Auch die Schweiz verabschiedet sich

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Ende Dezember 2024 hat das Parlament Kürzungen von 110 Millionen Franken im Budget 2025 und von 321 Millionen Franken im Finanzplan 2026–2028 bei der bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit beschlossen.

Betroffen von den Kürzungen sind die bilaterale, die wirtschaftliche und die thematische Zusammenarbeit sowie multilaterale Organisationen, teilte das Aussendepartement Ende Januar 2025 mit. Folgende Massnahmen werden ergriffen:

In der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit stellt die Deza bis Ende 2028 die Entwicklungsprogramme in Albanien, Bangladesch und Sambia ein. Grundlage für diesen Entscheid sind die tatsächlichen Bedürfnisse vor Ort, die langfristigen diplomatischen und wirtschaftlichen Interessen der Schweiz sowie der Mehrwert der Schweizer internationalen Zusammenarbeit gegenüber anderen Ländern.

In der thematischen Zusammenarbeit wird sich die Deza künftig verstärkt auf Sektoren konzentrieren, in denen sie den grössten Mehrwert erzielen kann und über langjährige Expertise verfügt. Im Bildungsbereich liegt der Fokus auf der Berufsbildung sowie auf Bildungsmassnahmen in Notsituationen. Im Gesundheitsbereich wird die Deza Tätigkeiten zu HIV/AIDS und Malaria künftig auf die in Genf ansässigen WHO und Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria ausrichten. In der Kulturförderung hat bereits eine Fokussierung auf Projekte im Ausland stattgefunden; mittelfristig werden auch Aktivitäten in der Schweiz eingestellt.

In der multilateralen Zusammenarbeit der Deza werden ab 2025 die Beiträge an drei internationale Organisationen eingestellt: Dies betrifft die Global Partnership for Education, die UNAIDS sowie die UNESCO.

Um die Entscheide des Parlaments umzusetzen, sind für den Zeitraum 2025–2028 zusätzliche Querschnittskürzungen bei den Länder- und Themenprogrammen sowie Organisationen notwendig. Die Kernbeiträge an Schweizer Nichtregierungsorganisationen werden um 7.5 Millionen Franken gekürzt.

Durch das sofortige Ende der Zahlungen aus den USA konnten nicht wie geplant 6000 Leute ausgebildet und von den Lebensmittelherstellern angestellt werden. Jürg Merz sagt: «Wir haben rund 4200 ausgebildet, die letzten können wir nicht mehr, sie werden nicht in den Arbeitsmarkt integriert.» Die Arbeit bei den Lebensmittelherstellern hätte ein monatliches Einkommen gegeben und somit die Möglichkeit, nachhaltig für die Familie zu schauen. Entlassen wurden auch die lokalen Mitarbeitenden des Berufsbildungsprojekts.

Ein Mann kauft Essen an einem Marktstand.
Legende: Händler in Dhaka verkaufen auf einem Lebensmittelmarkt Lebensmittel. In Bangladesch leben sehr viele Menschen von Tagesarbeit, um sich ihr Essen kaufen zu können. Keystone/EPA/MONIRUL ALAM

Mit dem Stopp der Gelder aus den USA musste Helvetas das Projekt von einem Tag auf den anderen beenden. Finanzielle Besserung sei nicht in Sicht, sagt Jürg Merz, Koordinator bei Helvetas für Bangladesch. «USAID geht zu Ende, die Schweiz wird sich 2028 aus Bangladesch zurückziehen, andere Staaten haben auch Reduktionen angezeigt.»

Äthiopien: Ein Stopp lässt Hilfe für Hunderttausende versiegen

Das Hilfswerk Heks musste in Äthiopien ein humanitäres Projekt sofort komplett stoppen, weil die Hilfsgelder von USAID von einem auf den anderen Tag ausfielen. Das Projekt erreichte rund 300'000 Menschen im südlichen Äthiopien. Davon betroffen sind die Pastoralisten, Halbnomaden, die mit ihren Viehherden im weitläufigen Gebiet auf ständig wechselnde Weiden treiben. Gemäss Heks kostet dieses Projekt einen mittleren einstelligen Millionenbetrag.

Pastoralisten: den Weiden entlang in Äthiopien

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Pastoralismus ist eine Form der Wanderviehhaltung, bei der die Menschen ihr Vieh im Jahreszyklus auf unterschiedliche, teilweise mehrere hundert Kilometer entfernte Weideflächen führen. Dieses Halbnomadentum erfordert das Führen eines mobilen Hausstands, die Menschen verlegen ihren Wohnort temporär entlang der Wanderungsroute.

Dürre in Äthiopien

Für die Pastoralisten im Süden von Äthiopien ist gemäss Heks die Lage zurzeit schwierig. In den Jahren 2020 bis 2023 ging wegen einer grossen Dürre das Futter für das Vieh auf den Weiden zur Neige. Fünf Regenzeiten in Folge fielen aus. Ganze Herden sterben weg und es dauere acht bis zehn Jahre, bis sich die Herden davon erholt hätten. Jetzt sei man aber an der Schwelle zur nächsten Dürre. Es gibt immer weniger Weiden und Wasserplätze. Ausweichen geht kaum mehr, und das befeuert Konflikte unter den Menschen.

Mit dem Tod des Viehs verlieren die Menschen ihre Lebensgrundlage. Erst dann ist Hilfe notwendig. Verlieren mehrere Familien ihr Vieh, dann kommen die Clans zusammen und lassen sich nieder, um für Hilfe im weitläufigen Äthiopien überhaupt erreichbar zu sein.

Die humanitäre Hilfe umfasst sauberes Wasser, Nahrung, Samen für den Anbau von Mais oder Bohnen, Geld für Einkäufe auf lokalen Märkten, Impfkampagnen für das Vieh, damit dieses in Dürreperioden widerstandsfähiger ist. Zudem arbeitet Heks am Schutz der Frauen und Kinder. Diese seien verantwortlich für das Holen von Wasser. Die Männer treiben das Vieh. Frauen und Kinder seien oft alleine und schutzlos, wenn andere Clans angreifen würden. Müssen Frauen weite Wege gehen, um Wasser zu holen, sind sie Vergewaltigungen ausgesetzt.

Eine Frau schöpft Weizen in einen Sack.
Legende: Eine äthiopische Frau schöpft Weizen, der an wartende Familien verteilt wird. Keystone/AP Ben Curtis

Der plötzliche Stopp sei auch deshalb schwierig, so Mischa Weber vom Heks, weil man ohne Vorwarnung keinen Ausgang des Projekts planen könne. Eine Alternative, um die Menschen aufzufangen, gebe es nicht. Weiter könne das Heks wegen des Stopps lokale Mitarbeitende nicht mehr beschäftigen. Diese hätten zum Teil selbst Angehörige, die auf die Hilfe angewiesen seien.

Endet Hilfe abrupt, halte man den Menschen vor Augen, dass sie ihrem Schicksal überlassen werden, sagt Mischa Weber vom Heks. «Das löst Wut aus.» Das mache es für die Hilfswerke vor Ort schwierig, in den betroffenen Regionen zu arbeiten. «Diese Wut kann sich auf die Helfer entladen.»

Helvetas und Heks

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Das Heks wurde 1946 als Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) gegründet. Seit 2004 ist das Heks eine gemeinnützige Stiftung.

Das Heks hat gemäss eigenen Angaben den Fokus auf Klimagerechtigkeit, Recht auf Land und Nahrung, Flucht und Migration sowie Inklusion und Integration.

Gemäss dem Jahresbericht 2023 investierte das Heks gut 30 Millionen Franken in Projekte der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Zum Gesamtertrag vom Heks von rund 137 Millionen Franken steuerte der Bund rund 13 Millionen für die Hilfe im Ausland und 1.7 Millionen Franken für humanitäre Hilfe bei. Der grösste Anteil der Mittel kommt durch Spenden zusammen. Die Erträge von Bund, Kantonen und Gemeinden haben einen Anteil von 19 Prozent der Gesamtsumme von 137 Millionen Franken.

Helvetas ist eine Schweizer Organisation für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe. Als Verein organisiert, gibt sich Helvetas konfessionell neutral und politisch unabhängig. 

Helvetas erhielt gemäss dem Jahresbericht 2023 einen Programmbeitrag von 8 Millionen vom Bund (Deza). Das Deza erteilte zudem Aufträge im Umfang von 55 Millionen Franken. Zusammen sind das über 40% der Erträge von 165 Millionen Franken. Weitere grosse Summen erhält Helvetas durch Spenden und Aufträge von anderen Organisationen.

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Tagesschau, 29.4.2025, 19:30 Uhr;brus

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