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Fidesz-Suspendierung aus EVP Orban kommt ungeschoren davon – wieder einmal

Ungarn ist eines der auffälligsten Länder in Europa, seit Viktor Orban 2010 zum zweiten Mal Ministerpräsident wurde – und das bleibt auch nach dem gestrigen Tag so.

Wieder einmal sind Orban und seine Partei Fidesz davongekommen. In Ungarn wird die Suspendierung der Fidesz-Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei gar als Sieg von Orban wahrgenommen – von seinen Gegnern einigermassen frustriert, von den Staatsmedien triumphal. Letztere schreiben sinngemäss, Orban habe eigentlich schon immer nichts anderes gewollt als diese Suspendierung.

Und sie schieben gleich noch ihre übliche Propaganda hinterher: Alex Soros, der Sohn von George Soros, sei gestern in Brüssel gewesen und habe versucht, die Abstimmung über das Schicksal der Fidesz zu beeinflussen. George Soros ist der ungarisch-amerikanisch-jüdische Financier, den Orban für fast alles Übel in Ungarn verantwortlich macht.

EVP-Mitgliedschaft ist wichtig für Orban

Was stimmt: Orban hat sein Gesicht gewahrt und schlimmeres verhindert. Noch ist er dabei in der Europäischen Volkspartei. Das würde er nie zugeben, aber diese Mitgliedschaft ist wichtig für ihn. Nur in der Volkspartei ist er ganz nah dran an den ganz Mächtigen der EU, an der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beispiel.

Das ist wichtig, wenn es um die Verteilung von EU-Geldern geht; Ungarn bekommt pro Kopf der Bevölkerung am meisten Geld von der Europäischen Union. In letzter Zeit hat Orban denn auch einiges getan, um es sich nicht völlig mit der Volkspartei zu verderben.

Er hat die Anti-Juncker-Plakate – Jean-Claude Juncker ist als Kommissionspräsident einer der wichtigsten EU-Vertreter – früher abgehängt als angekündigt. Eigentlich hätte er sie erst am ungarischen Nationalfeiertag verschwinden lassen wollen, am 15. März. Ich bin aber vorher nach Ungarn gereist und die Plakate waren schon weg, überall weisse Flecken auf den Plakatwänden. Orban hat auch eine erstaunlich milde Rede zum Nationalfeiertag gehalten.

Oft ungeschoren davongekommen

Das alles ist offenbar zur rechten Zeit gekommen – wieder einmal. Orban schafft es seit Jahren, weitgehend ungeschoren davonzukommen. Er erlaubt sich viel mehr als andere, er schreibt die Verfassung um, kontrolliert die Gerichte, übernimmt die meisten Medien im Land – und hat gemessen daran kaum Probleme mit der EU.

Zwar hat diese in 1300 Fällen überprüft, ob Ungarn die EU-Verträge einhält – fast nie hat das bisher aber Folgen gehabt für das Land. Auch das unter anderem, weil Orbans Fidesz in der Europäischen Volkspartei ist. Andere Regierungen, die das nicht sind, setzt die EU viel stärker unter Druck, obwohl sie weniger weit gehen als Fidesz – zum Beispiel Polens Regierung.

Für Orban sind jetzt alle Optionen offen. Im Mai gibt es Wahlen in der EU. Je nach Ergebnis hat er die Möglichkeit, in die Europäische Volkspartei zurückzukehren. Oder dann einen neuen Zusammenschluss zu gründen – mit anderen rechten, konservativen europäischen Parteien. Was auch immer er tut: Auffällig werden er und sein Land bleiben – auffällig undemokratisch.

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

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